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Vom treuen Leser

Redakteure sind mutige und unerschrockene Männer. Weiß Gott, ich habe nur solche kennen gelernt. Manche fürchten selbst den Teufel nicht, manche zittern selbst nicht vor dem Presse-Paragraphen II. Ja, ja, solche Helden gibt es.

Aber jeder Redakteur wird unter allen Umständen erbleichen und von zagender Angst befallen werden, wenn man ihm von einer gewissen Spezies Leser zu reden beginnt. Er wird zaghaft werden, seine Festigkeit wird stürzen, Gruseln wird ihn überlaufen.

Der treue Leser oder der langjährige Abonnent oder der alte Freund des Blattes – das klingt so brav, bieder und unendlich treuherzig, so ganz ohne Falsch, und doch verbirgt sich hinter diesen harmlosen Worten eine entsetzlich unangenehme Art von Menschen, ein quälendes, heimtückisches Ungeziefer, das aus dunklem Versteck heraus das Gift seiner Drüsen auf seine Opfer spritzt.

Vor diesen Menschenseelen hat der heroischste Redakteur eine peinliche Scheu.

Meistens sind es Leute, die nie in ihrem Leben etwas zu sagen gehabt haben, im übrigen auch nicht die Courage besitzen, sich offen gegen irgend jemand, der ihnen vielleicht mal nützen könnte, in Widerspruch zu setzen. Die aber, wenn sie ganz allein sind oder sich ihrer Umgebung völlig sicher fühlen, das Maul weit aufreißen, sich in die Brust werfen und pathetisch erklären, sie würden jetzt mal zeigen, was eine Harke wäre.

Beamte mit strengen, gottähnlichen Vorgesetzten, Leute, die von Verbeugungen und Selbsterniedrigungen leben,

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/052&oldid=- (Version vom 1.8.2018)