Gebiet der Rassenvermischung und Entwicklungslehre. Er war ein Mann von 180 Jahren und verließ als scheuer Gelehrter nie seine Studierstube. Er vermittelte der Welt die Ergebnisse seiner Forschungen durch den Phonographen.
Feindliche Blicke aus Pferdeaugen trafen die Menschen, die sich sichtlich unbehaglich fühlten. Nur vor dem Phonographentrichter hatten die Pferde eine gewisse Scheu. Die Menschen rutschten auf ihren Sitzen hin und her. Die Schreibmaschinendame spitzte ihren Bleistift. Der Phonograph räusperte sich.
Plötzlich ließ ein neuer Fanfarenstoß der dreißig Karrenpferde das Stimmengewirr und Geräusch in der Halle verstummen.
Das Oberroß Graf Bertram von Hafersack-Trense erhob sich, begrüßte in markigen Worten kurz die Versammlung und forderte auf, ein gemeinsames Lied zu singen.
„Wir halten fest und treu zusammen, hipp, hipp, hurra!“ schallte allsogleich aus kräftigen Pferdestimmen ein schreckliches, ohrenzerreißendes Gegröhle durch die Halle. Jedes Pferd bemühte sich, seine Nachbarn zu überwiehern. Ein ergrautes Roß mit einer Brille und einem Kapotthut, eine Witwe aus Krefeld, begleitete den Gesang auf dem Harmonium.
Die Büste Granes fiel durch den Spektakel herunter und zerschellte am harten Schädel eines stämmigen Oldenburgers.
Entsetzt schauten die Menschen in das Tohuwabohu aufgerissener Pferdemäuler.
Das Lied war aus.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/090&oldid=- (Version vom 1.8.2018)