bedeutsam um sich und sagte anerkennend: „Ja, ja, der Beethoven, der Beethoven, da können wir nicht ran.“
Daraufhin beschloß man im Verein, daß der Vater die Büste kaufen solle. Er erhielt dreißig Mark aus der Vereinskasse. Er kam sich enorm gehoben vor unter diesem ehrenvollen Auftrag. Er brüstete sich und sagte am Biertisch häufig: „Na ja, ich muß eine Beethovenbüste kaufen. Na ja, ich muß das natürlich tun.“
In dem Ort selbst konnte man die Büste nicht kaufen. Man mußte schon in die Provinzstadt fahren. Dieser Umstand erhöhte erheblich die Wichtigkeit der Mission.
Manches Mal steckte man im Verein in vorgerückter Stunde die Köpfe zusammen und flüsterte mit hochroten Gesichtern von geheimnisvollen Vergnügungen, die in der Stadt zu finden seien. Man sprach von einem Weinlokal mit Tirolerinnen. Man blinzelte dem Vater zu, und der Bierwirt Maxi Vertikow kiekste ihm in die Seite.
Der Zweck der Reise sei zu ernst, brummte der Vater. Er erkundigte sich aber doch so hinten herum nach der Adresse der Tirolerkneipe. Der Bierwirt Maxi Vertikow schrieb sie ihm auf. „Da muß ich mir noch einige Extragoldstücke einstecken,“ nahm sich der Vater vor.
Von Tag zu Tag schob er die Reise auf. Eine geheime Unruhe quälte ihn: er fühlte sich so unvorbereitet; er wußte nicht das Geringste über Beethoven, er hatte keine Ahnung, wie er aussah.
Er wandte sich an das Landblättchen und bekam in einer Briefkastennotiz folgenden Bescheid: Ludwig van Beethoven, Tonkünstler, geb. 16. 12. 1770, gest. 26. 3.
Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/118&oldid=- (Version vom 1.8.2018)