schwarzen Röcken und wichtigen Gesichtern. „Verstehe das, wer will! Was soll ich da?“ – Es überlief mich kalt, wir wurde schwindlig: Theobald, – die Preißelbeeren – die Anna – der Moët – das Kind – der Kutscher: ein wilder Reigen vor meinen Augen. „Nimm dich zusammen, du sollst ja nur Pate bei meinem Kinde sein,“ schnauzte mir Theobald ins Ohr. Er habe das mit dem Paten nicht gewußt, flüsterte er mir zu, erst der Pastor habe ihn heute vormittag bei der Anmeldung zur Taufe darauf aufmerksam gemacht. Er habe aber keinen von seinen anderen Bekannten angetroffen. – Mein erster Gedanke bei dem Wort Pate war: „ein silberner Löffel“.
Ich war physisch zu marode, um noch länger zu stehen; ich kroch in eine Bank. Theobald setzte sich krampfhaft neben mich; an der anderen Seite von mir saß die Anna mit dem Kind. Das Kind hatte einen Gummilutscher im Mund, der immer zu Boden fiel. Ich versuchte ihn aufzuheben, es ging nicht, es war zu tief. Ich bekam einen roten Kopf, und alles schmeckte nach Moët. – Trotz der harten Kirchenbank, trotz des allseitigen Kindergeschreis schlief ich wieder ein. – Ein unsanfter Stoß in die Seite schreckte mich auf. „Wir sind jetzt an der Reihe,“ sagte Theobald und zog mich zum Altar. Fremden Leuten mußte ich sagen, wie ich heiße. Dann kam ein Pastor und predigte. Das Stehen bekam mir nicht, ich schwankte und stieß laut auf. Theobald trat mir verstohlen gegen das Schienbein. Unser Kind begann zu schreien; Theobald wurde rot und bekam eine dicke Ader auf der Stirn.
Ich duselte stehend ein.
„Sie können gehen, Ihre Leute sind schon weg,“
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Leipzig: Ernst Rowohlt Verlag, 1911, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/026&oldid=- (Version vom 18.8.2016)