Jeden Mittag giftete sich der Vater über den Kaffee, den ihm die Mutter nach dem Essen brachte.
Dieses labberige Gesöff sei kein Kaffee, es sei wohl braun und auch heiß, aber trotzdem kein Kaffee. Er danke auf die Dauer dafür.
Die Mutter verteidigte sich und sagte, sie habe drei Lot hineingegeben und gründlich ziehen lassen. Außerdem sei zu starker Kaffee nicht gesund.
Das war jeden Mittag dieselbe Geschichte.
Tante Rösele Blätterteig, die immer im Wohnzimmer auf einem erhöhten Sitz am Fenster saß und beharrlich graue Socken zweimal rechts und zweimal links strickte, mischte sich regelmäßig in diesen Disput. Warum wolle man nicht auf sie hören und einmal ihr Rezept versuchen: den gemahlenen Kaffee in einen alten Wollstrumpf tun und durch diesen dann das kochende Wasser gießen? Das gäbe einen vorzüglichen Kaffee.
Den könne sie von ihm aus eimerweise trinken, schnauzte der Vater die Tante an, er danke dafür. Er sei die Sache aber jetzt endgültig leid. Wenn es noch nicht einmal möglich sei, zu Hause eine anständige Tasse Kaffee zu bekommen, pfeife er auf die ganze Haushaltung.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Leipzig: Ernst Rowohlt Verlag, 1911, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/033&oldid=- (Version vom 18.8.2016)