seinerseits, zu sehen, was das Interesse des Rats in solchem Maß in Anspruch nahm. „Nil admirari“, war sonst der Wahlspruch Bleffkes, der den Leutnant nicht mochte. Es mußte etwas Außergewöhnliches sein, was ihn nun gleichfalls wie Schnödelkrum an dem Baum festhielt. Erst stutzte er, dann verlangsamten sich seine Schritte, schließlich blieb er stehen und schaute gespannt nach dem Baum hinüber. Erst versuchte er verzeihend zu grinsen, dann aber wurde er ernst und sein Gesicht bekam einen seltsamen, nervösen, fast angstvollen Ausdruck. Er machte einen Schritt nach vorne, trat auf das Schuhbändel und fiel platt auf das Gesicht: wie tot blieb er liegen. –
Es war ein schöner Tag. Die ganze Stadt war auf den Beinen. Mehr und mehr füllte sich die Promenade.
Was hatten nur die Leute? Ernst und würdig, wie sonst, schob der Strom der Bürger und Bürgerinnen über die Allee – bis zu jener Stelle, die Rat Schnödelkrum und Assessor Bleffke bereits festgehalten.
Kamen die Leute in die Nähe der geheimnisvollen Kastanie, verlangsamten sich ihre Schritte, ihre Gesichter nahmen einen verblüfften Ausdruck an, der dann bald einer seltsamen Starre wich, sowie man dicht am Baum angelangt war. Krampfhaft waren alle Augen auf etwas am Fuße der Kastanie gerichtet. Den umgefallenen Assessor beachtete niemand.
Eine furchtbare Spannung sprach aus aller Augen.
Dichter und dichter wurde der Kreis um den Baum. Die neu ankamen, befragten flüsternd die zunächst Stehenden. Einige hastig zugeraunte Worte ließ sie in die gleiche, unheimliche, rätselhafte Starre verfallen.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/092&oldid=- (Version vom 1.8.2018)