gewesen, denn Vater Bender hätte nie geschossen, er war viel zu bang.
Der Männer Zweck und Sinn aber war, die Straße zu teeren. Und sie taten es mit großen Besen und mit unvergleichlichem Ernst. Mancher versuchte, durch einen individuellen Pinselstrich seiner Arbeit eine persönliche Note zu geben. Drei Wochen haben die Männer an der Straße gestrichen, bis die ganze Straße dalag im Spiegelglanz ihres Staub tötenden Teerüberzuges.
Es war sieben Uhr abends, als die Männer fortzogen. Die Straße wurde dem Verkehr übergeben.
Vater Bender, der während der letzten Wochen aus seinem Verdrußkoller nicht herausgekommen war, hatte den Abzug der Männer mit Freuden begrüßt und die Lina weggeschickt, drei Liter Bier zu holen. Sie holte das Bier gleich um die Ecke. Es verging eine Stunde, und die Lina war noch nicht da mit dem Bier. Der Vater wurde ungemütlich. Adam, der Älteste, wurde ausgeschickt, zu schauen, wo die Person bliebe. Auch Adam kam nicht wieder. Das war ja äußerst seltsam. Jetzt mußte das Finchen los, dann der Hubert, der Döres, der Karlemann und schließlich selbst Tante Firlefinzchen. Aber niemand kam zurück. Dann mußte Mutter Bender, die schon im Bett lag, und die Gicht in den Beinen hatte, heraus auf die Jagd nach der Lina. Auch sie kam nicht wieder.
Was ging da vor sich?
Schließlich war es Vater Bender zu dumm geworden. Da mußte er selbst mal nachschauen.
Ein entsetzliches Schauspiel bot sich ihm dar. Im fahlgrünen Mondlicht ein Gezappel und Armwerfen von Gestalten, die alle am Boden gebannt schienen.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/130&oldid=- (Version vom 1.8.2018)