Dabei mußte ich mich fortgesetzt mit Tante Düne Fletschknaster, Tante Brösele Hupebeih und Onkel Dagobert Klabauter, die es sich nicht hatten nehmen lassen, mir das Geleite zu geben, in zuvorkommendster, liebenswürdigster, erbneffenhafter Weise unterhalten.
Es ist ein lieber, sinniger Brauch, jemanden, der eine Reise tut, zum Bahnhof und an den Zug zu begleiten. Worte von Ewigkeitswert werden in diesen letzten Augenblicken getauscht.
„Also schreibe sofort, wenn du ankommst,“ bat Tante Düne zum zweiundachtzigsten Male.
„Setze dich rückwärts, lasse das Billett nicht in den Fensterkasten der Coupétür fallen,“ riet mir zum wiederholten Male Dagobert.
„Hast du auch alles?“ beunruhigte sich fortgesetzt Brösele Hupebeih.
Ängstlich schaute ich nach dem Gepäckträger aus und antwortete auf alle Fragen mit geistesabwesenden Ja’s.
„Ah so, was ich noch sagen wollte,“ erinnerte sich plötzlich Tante Fletschknaster, „Benders mußt du auch mal schreiben. Vergiß es nicht.“
„Du hättest dir was zum Essen einstecken sollen,“ begann Tante Hupebeih wieder; „hast du auch den Kofferschlüssel gut weggetan und den Gepäckschein?“
„Bei Eisenbahnunfällen empfiehlt es sich, die Beine auf den Sitz zu ziehen,“ belehrte mich Dagobert.
In fünf Minuten läuft der Zug ein. Wo der Gepäckträger nur bleibt! Angstvoll schaute ich mich um.
„Ja. Benders werde ich selbstverständlich mal schreiben,“ murmelte ich, ganz in Anspruch genommen von der Sorge um mein Gepäck. Der Gepäckträger wird mich doch richtig verstanden haben?
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/136&oldid=- (Version vom 1.8.2018)