tat mir scheußlich weh, ich konnte kaum gehen. Meine neue Hose hing in Fetzen herunter. Sehr mitgenommen sah ich aus. Alle Leute lachten, stießen meine schöne Sachen, die auf dem Perron herumlagen, mit Füßen und machten häßliche Witze.
„Nein, so was! Nein, so was ist mir nun doch noch nicht vorgekommen,“ keuchte wütend neben mir ein Mann mit einer roten Mütze, „das muß exemplarisch bestraft werden, exxxx… x… exemplarisch!!“
Mir war ganz unklar, warum dieser Mann so wütend war; ich hatte doch das kaputte Schienbein, mein Köfferchen war geplatzt, meine Socken, meine Zahnbürste, meine Seife und so weiter lagen auf dem Boden herum, mein Paletot war verdorben – –
Ganz willenlos, völlig gebrochen ließ ich mich in ein unfreundliches Zimmer mit hohen, langweiligen Pulten schieben.
Ganz apathisch antwortete ich auf die seltsamsten Fragen. Dann mußte ich ein Formular unterschreiben und zum Schluß vierzig Mark bezahlen.
Ein Mann, auch in Uniform, hatte Mitleid mit mir. „Wohin wollen Sie denn eigentlich?“ erkundigte er sich teilnehmend.
„Nach Karlsruhe mit dem Zug 7,20 Uhr,“ schluchzte ich verzweifelt.
„7,20 – 7,20 – – – da fährt aber kein Zug nach Karlsruhe. Da müssen Sie sich irren.“
„In meinem Fahrplan steht dieser Zug,“ jammerte ich weiter.
„7,20 – warten Sie mal,“ der freundliche Mann nahm ein Kursbuch zur Hand, „richtig, 7,20 fährt ein Zug, das ist aber abends. Sie haben den Strich übersehen.“
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/201&oldid=- (Version vom 1.8.2018)