„Ich komme schon im zehnten Jahr hier herauf,“ fing der bärtige Mann noch kauend wieder an, „zehn Jahre, mein junger Freund. – Böllerknüz, Böllerknüz ist mein Name!“ Er legte sich gegen mich und prustete mir ein Stückchen Fisch an die Backe. Wohlerzogen verneigte ich mich: „Schmitz, Herr Schmitz.“ –
„Dann sind Se wohl aus Köllen,“ rief die dicke Dame mit der teuren Bluse über den Tisch, „in Köllen heißen alle Leute Schmitz!“ Sie wackelte wie eine gallertartige Masse vor Lachen auf ihrem Sitz über ihr glänzendes Bonmot. Auch die anderen Leute am Tisch lachten. Nur die Damen mit den Knüzchen und der Elfenbein- und Kameenbrosche lachten nicht. Sie hatten sich gerade Pillen in den Mund gesteckt und schluckten krampfhaft unter Vorschnucken des Kopfes.
„Doch nichts für unjut,“ fuhr die seidene Bluse fort, „Spaß muß sein. Wir sind doch nicht umsonst die fidelen Rheinländer.“
„Ich bin nicht aus Köln, ich bin aus Düsseldorf,“ klärte ich sie auf.
„Düsseldorf, das kenne ich auch, gewiß. Ich hab’ eine Tochter da verheiratet, Frau Neverding. Sie kennen sie sicher.“
Bedauernd verneinte ich wohlerzogen.
Das Gespräch wurde unterbrochen. Es wurden große Schüsseln mit seltsamen Dingen hereingebracht.
„Ah, Spätzli,“ hieß es allgemein.
Man fing bei mir an. Ich hatte noch nie Spätzli gegessen, ich war zu bang, ich wollte mich nicht wieder blamieren, wie eben mit den Nudeln. Ich dankte.
„O, Sie nehmen keine Spätzli?“ klang es vorwurfsvoll von allen Seiten.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/209&oldid=- (Version vom 1.8.2018)