„Bizepsheil“ nur mit der Natur als Heilfaktor gearbeitet wurde. Aber Gott ja, Natur war heute eine rare Sache. In den dreißig Mark war ja wohl auch alles inbegriffen. Oh, der Tor!
Er hatte seine Ankunft angemeldet und wurde von dem Wagen der Anstalt am Bahnhof abgeholt.
Gleichzeitig mit ihm war noch eine uralte Dame, die sehr stark schnaufte, fortwährend Haarnadeln verlor und hinkte, und ein Herr in mittleren Jahren von fahlem Aussehen und mit einem zu kleinen Strohhut angekommen. Mit diesen beiden teilte er den Wagen.
Der fahle Herr stellte sich sofort als Regierungsrat Hifthorn von Hosenboden vor und begann von einer Geschwulst zu reden, die er im Leibe hätte. Er hätte bereits unzählige Ärzte konsultiert, und alle rieten zu einer Operation. Er wollte aber noch vorher einen letzten Versuch mit „Bizepsheil“ machen. Und ob er auch eine Geschwulst im Leibe hätte? wandte er sich interessiert an Scharleß Nulpe.
Nulpe bedauerte fast, daß er das nicht bestätigen konnte, denn es wäre ohne Zweifel interessanter gewesen, wie seine einfache Neurasthenie. Aber er gab sich Mühe, sein Leiden in den grellsten Farben auszumalen, so daß er wohl dem Regierungsrat mit der Geschwulst gegenüber bestehen konnte.
Am Portal einer pompösen Villa standen zwanzig Herren in Gehröcken mit Seidenaufschlägen. Sie begrüßten die Ankommenden in englischer Sprache, um diese Leute zu ehren und bei ihnen den Glauben zu erwecken, man hielte sie für Ausländer. Wenn das Echo dann, wie in diesem Falle, verschämt deutsch
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)