verlassen? Mich in das Grauen eines Krankenhauses begeben? Niemals.
Ich nahm meine ganze Kraft zusammen und schrie: „Scher dich zum Teufel mit deiner Diagnose! Raus, raus!“
Sebald versuchte, mich in aller Milde und Geduld zu beruhigen und mir das relativ Harmlose einer Blinddarmoperation, die enorme Geschicklichkeit der heutigen Chirurgen auseinanderzusetzen. Ganz behaglich sei es in einem modernen Krankenhause, und nach der Methode von Professor Weichteil sei die ganze Affäre in acht Tagen erledigt.
Ich hatte für nichts ein Ohr. Mit jedem Wort, das Sebald sagte, wuchs mein sinnloser Zorn. Ich sah in Sebald lediglich den bewußten Störer meines harmonischen Daseins, den Vernichter meines Seelenfriedens, meiner göttlichen Ruhe. Wie ein wildes Tier brüllte ich auf ihn ein.
Dann wurde es ihm doch zuviel. „Ich lehne jede Verantwortung ab,“ rief er. „Du tust mir leid in deiner Verbohrtheit. Mach meinetwegen was du willst!“ Sebald warf die Tür ins Schloß und ging weg.
Stundenlang kauerte ich weinend in einer Ecke und stierte vor mich hin. Oder ich irrte wie ein von Gespenstern Verfolgter durch die Wohnung. Oder es packte mich eine wahnwitzige Wut, und ich stürzte mich auf irgendeinen Gegenstand. Eingetretene Schranktüren, zerschlagene Fischgläser und Lampen, zertrümmerte Fenster, Spiegel und Vasen, abgebrochene Stuhlbeine klagten von meinem Wüten. Ich warf mich dem Alkohol in die Arme und trank Kognak aus Biergläsern.
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/240&oldid=- (Version vom 1.8.2018)