Dieser Zustand währte etwa drei Wochen. Ich hatte keinen Kognak mehr und meine ganze Einrichtung war zerstört.
Da kam ich einen Augenblick zu mir. Das konnte so nicht weiter gehen. Dieser entsetzliche Zustand führte zum Wahnsinn. Dabei nahmen die Schmerzen im Bauche immer mehr zu. Mein Eigensinn war gebrochen. Ich schrie nach Sebald. Sebald war ein guter Kerl und kam.
Willenlos und ohne jeden Widerstand ließ ich mich von ihm in einer Droschke in das Krankenhaus des Herrn Professor Weichteil schaffen.
Mit großer Freundlichkeit empfing man mich im Krankenhause. Ich wurde stutzig. War das bemitleidende Güte, die man einem Aufgegebenen, einem Verlorenen entgegenbrachte?
Ich mußte Personalzettel ausfüllen. Die neugierigen Rubriken wollten das Unmöglichste wissen. Ob meine Amme eine gute Turnerin gewesen wäre, ob mein Großvater Schuppen auf dem Kopf gehabt hätte, ob in meiner Familie ein Neger wäre.
Wildfremde Männer in weißen Mänteln kamen herbei. Sie rochen nach Äther, Karbol, Zigarren und Kognak. Ich mußte mich hinlegen, und sie tasteten mit ernsten Mienen und kalten Händen an meinem Bauch herum. Sie sprachen dann lateinisch mit bedenklichen Gesichtern. Einer klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Nur Mut, wird schon werden!“ Ein anderer lachte mich gütig an und sagte leise: „Moribundus.“
Von einem breitschulterigen Mann mit brutalen Zügen und Händen wurde ich mit rauher Unerbittlichkeit gewaschen, gebürstet, geseift. Er tat es mit
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/241&oldid=- (Version vom 1.8.2018)