dem Wohlbehagen eines sadistischen Henkers. Als er mein Zimmer betrat, hatte er ein amputiertes Bein bei sich, welches er in die Ecke stellte.
Dann legte man mich in ein blütenweißes Bettchen, über dem ein frommes Bild hing. Ich wurde wehmütig und weinte.
Die wildfremden Männer in weißen Mänteln kamen wieder und klopften an meinem Bauch herum. Kalte Hände hatten sie noch immer.
Plötzlich erschien ein langer Mann mit einem verwahrlosten Vollbart, einer Brille und einer schlechtsitzenden Hose. Es war der berühmte Professor Weichteil. Die weißen Männer machten ihm respektvoll Platz. Er trat an mein Bett, blickte zerstreut über mich weg und fragte so obenhin: „So, das ist also die Frau mit dem Tumor?“
Vorsichtig bemerkten die Männer, ich wäre männlichen Geschlechtes. Weichteil hob ernst und stumm meine Decke auf, besah sich mein rechtes Bein und erklärte: „Ja, ja, die höchste Zeit, das Bein muß amputiert werden. Gute Nacht.“ Die Männer klärten ihn unterwürfig auf, daß es sich wohl nach ihrer bescheidenen Ansicht um eine Appendizitis handelte. Der Professor richtete sich auf und sagte fest und bestimmt: „Dann muß der Appendix heraus!“ Die weißen Männer neigten demütig, zustimmend die Häupter, und alle entfernten sich.
Ich weinte die ganze Nacht. Womit hatte ich dieses gräßliche Geschick verdient? Ich war schon mehr tot, wie lebendig.
Am nächsten Morgen kam der Professor, gefolgt von den weißen Männern. Er untersuchte natürlich mit kalten Händen meinen Bauch und konstatierte:
Hermann Harry Schmitz: Der Säugling und andere Tragikomödien. Ernst Rowohlt Verlag, Leipzig 1911, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz_Der_Saeugling.djvu/242&oldid=- (Version vom 1.8.2018)