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 So sieht die Menschheit zum ersten Male an Jesu Glaubenswerk auch die Glaubenskraft. Sein Werk der Erlösung, im Glauben an den Sieg des Gehorsams geschehen, ist in Kraft dieser Treue getan und wird als getan im Glauben angesehen. Bisher mußte ganz fertig dastehen, was der das Äußerliche sehende Mensch vollendet nennen sollte. Jetzt kann er lernen, daß all das fertig und sehr gut ist, was die Wahrheit so nennt und der Glaube so einschätzt. Denn nicht mit Unfertigem wird der Vater geehrt, der erst, als er das Werk der Schöpfung ausgeführt hatte, es sehr gut nannte, aber auch nicht mit dem rasch fertigen Werke, das mehr scheint als ist, sondern mit dem echten und gerechten, das alle Kräfte beansprucht, alle Anforderungen berücksichtigt und alle Hindernisse innerlich bestanden hat, deren äußerliche Wegnahme nur die letzte Probe auf Echtheit ist.


Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.

 Verklärung, nicht Erklärung des väterlichen Wortes, Willens und Wesens war das Werk des Sohnes. Verklärung erbittet er zum Lohn für sich, damit die Welt erkenne, daß er nur den Vater geliebt hat, wenn er für sie liebend litt, und nur getan hatte, was ihm der Vater befahl. Denn wie bei der vordeutenden Verklärung auf dem Berge, da die alttestamentlichen Glaubenszeugen über den Ausgang mit ihm redeten, den er in Jerusalem nehmen sollte, die väterliche Stimme ihm bezeugt, daß er ein geliebter, ja der Sohn des Wohlgefallens sei, so kann Jesus nichts höheres begehren als dieses Lob aus dem Munde des Vaters, ein Zeugnis der unbestechlichen irrtumlosen Wahrheit zu dem, den die Welt einen Toren und Verbrecher schalt, an dem selbst die wenigen Getreuen irre geworden waren.

 Rückkehr in das Leben der Klarheit zum Dank für die Heimkehr des Knechtes Gottes zum Vater: das wünscht jeder, und das gewährt dieser dem frommen und getreuen Knechte, der in seinem ganzen Hause und Amte treu war.

 Diese Klarheit, über welche keine Sünde verdunkelnd und kein Schatten verdüsternd hinzieht, ist nicht eine neue, in die der Sohn erst eindringen, an die er Auge und Herz erst gewöhnen müßte. Die Bitte um sie ist nicht aus der Begierde nach Neuem, Größerem und Reicherem erflossen. Der von Herzen Demütige begehrt nur den alten Stand „Gott, bei dir“. –

 Denn wo Gott ist, in seiner seligen Fülle, da ist Freude die Fülle und zu seiner Rechten liebliches Wesen für alle Zeit. Bei Gott, ganz wieder in seiner Nähe sein, ohne durch die Trübungen der Sünde und die Wolken des Irrtums sein Antlitz erst suchen zu müssen, vor Gott sein, ohne durch Trennung und Furcht vor ihr sehen zu müssen, sondern ungestört vor ihm stehen, in Gott und mit ihm sein – das erbittet der scheidende Herr, wenn er die alte Klarheit ersehnt.