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Denn du hast mich geliebt, ehe die Welt gegründet war.

 Wie der Mann der Tat am liebsten der Tage der Kindheit sich erinnert, damit aus dem Vergleich vom Erreichten und Verheißenen, von Ausführung und Verspruch Dank und stiller Lobpreis in ihm erwacht, so kehrt vom Throne der Herrlichkeit, den er bald und auf immer einnehmen wird, Jesus noch einmal durch die Niedrigkeit des allereinsamsten Lebens zu den vorweltlichen Erinnerungen zurück, die zugleich stetige Lebenskräfte sind. Reicher als er einst gewesen, obgleich seine in der väterlichen Liebe verankerte Herrlichkeit: so groß und ungemessen war, kehrt Jesus heim. Vor einer sündigen Welt und ihrer bittren Not stand er einst sinnend und sorgend, ihr Heil mit dem Vater erwägend. Aus einer erlösten Welt und mit ihr kehrt er heim. In Ewigkeitsfernen leidloser Liebe geht sein Geist, durch die durchlittnen Zeiten, durch die erstrittenen Siege, aus durchkämpften Schrecken kommt, mit heiligen Erfahrungen bereichert, mit der Menschheitsgeschichte, die er befreite, belastet der Wanderer heim.

 Was aber das Einst vorweltlicher Herrlichkeit, der Ruhe vor dem Streit und das Jetzt der leidensschweren Nacht in dem Streit mit dem vollendeten Einst der triumphierenden Ruhe nach dem Streit – zusammenschließt, ist das Kindesbekenntnis des Sohnes: du hast mich geliebt. Die Liebe hat ihn froh gemacht, als alles um ihn dunkel ward, hat ihn in die Fremde geleitet, in der zuerst niemand ihn aufnahm, zum Leiden bereitet und in ihm trotz des Grauens und Grolles vor dem Abgrund bei sich gehalten, ihm als letztes Erdenheim das Grab bereitet und soll ihn nun heimbringen, daß er ihr danke. – Schließlich ist alle Herrlichkeit nichts andres als die Erfahrung von der nimmer aufhörenden Gewalt der Liebe, die Gericht und Verdammnis niederrühmt. –


Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese erkennen, daß du mich gesandt hast.

 Der als Heiliger die Seinen für sich bewahrt und als in sich Geschlossener die Seinen nun zu sich zieht, soll als Gerechter, der zu seinem Worte steht und über seines Willens Ehre wacht, die Welt lehren, was es um eine gerechte Sache ist. Jesus weiß von der Gerechtigkeit des Vaters, die ihm gegenüber Treue ist, von ihr verstanden, getragen, gestärkt und verklärt. Ihm behält Gott Recht in allen seinen Werken: Umwege, Kreuz und Not, Widerspruch und Verleugnung, Niederlage und Tod – alles ist Jesu das Werk des Gerechten, der trotz der Umwege geradeaus und zum Ziele geht. Vor dem Auge des scheidenden Sohns liegt jetzt eine Welt der Herrlichkeit, weil in ihr Gerechtigkeit wohnt, des Ausgleichs und Abgleichs, der Richtigstellung und endlichen Annahme zu Ehren. Lüge ist als solche offenbart,