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eine Summe von Tatenlosigkeit liegt hier begraben, welch eine Majestät vollkommener Trägheit liegt da beisammen! Es ist etwas so Demütigendes, etwas so Erschreckendes, Ermüdendes, immer zu lesen auf den Grabsteinen, was jemand war und gewesen ist und sich sagen zu müssen: Das ist ja vorüber. Und es ist für den eigenen, alten Adam, für seinen Hochmut und seinen Ehrgeiz und für sein Verlangen nach Schöne, Genuß, Ehre und dergleichen ungemein erziehlich, wenn er darüber nachdenkt, wie bald es heißt: gewesen! Und zwar gewesen und doch sein, ja, und doch sein: teilnahmslos, ausgetan! Ob in der Welt Revolution ist oder große Stille, ob Kriegsgetümmel oder süßer Friede, ob Herrschaft des Guten oder Tyrannei des Bösen, das ficht ihn alles nicht mehr an, der im Grabe zerfällt. Und ob es auf der Welt mit dem Siege des Rechtes, der Wahrheit und des Lichtes weitergeht, oder ob der Hohn über alles Wahre endlich siegt, was kann das den stören, den sie unter die Erde gelegt haben! Einst hat er auch mitgearbeitet zum Siege des Guten, einst hat er auch mitgelitten unter der Niederlage des Guten, einst hat er auch sich beeifert und ereifert, wenn die Wahrheit fiel und die Lüge herrschte. Jetzt ist ihm das alles gleich; denn er ist ja tot. Und er ist doch noch! Wenn er nur vergangen wäre, aber er ist noch und kann nicht helfen und kann nicht arbeiten; denn die Nacht ist gekommen, da niemand wirken kann. (Joh. 9, 4.) Tot sein, ist schwerer als leben. Ich weiß wohl, daß manche sagen: „ich möchte am liebsten sterben, dann wäre es auf einmal still.“ Und so reden am meisten diejenigen, die nie gelebt haben, sondern schwärmten, träumten, nicht arbeiteten und nie von dem Ernst und der Härte der Wahrheit etwas erfuhren. Das sind die Leute, die ernten wollen, ohne gesät zu haben, und an der Blumen Duft sich erfreuen wollen, ohne sie gepflegt und begossen zu haben. Und wenn dann die Blumen nicht duften und die Ernte ausbleibt, dann möchten sie am liebsten sterben. Es ist aber dann keine Stille, wie diese sie