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mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ (Matth. 11, 28.) Und wie ein Hohn klingt es durch die Welt und wie ein Sieg klingt es denen, die es glaubend empfinden: „Er macht uns durch seine Bande frei!“


II.

 Und nun das zweite Wort: unter Pontio Pilato. Die Gemeinde lauscht dem höhnenden Worte dieses Skeptikers, vor dem der große, heilige Mann der seligen Gewißheit steht und spricht: „Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme!“ (Joh. 18, 37), worauf menschliche Verneinung, leerer Zweifel hohläugige Gedankenschwäche spricht: „Was ist Wahrheit?“ (Joh. 18, 38.) Viele Priester haben im Laufe der Jahrhunderte gesagt: Wir sind die Besitzer der Wahrheit und dann war es doch Täuscherei. Und viele Philosophen haben sich in ihre großen Forschungen und Systeme eingehüllt und stolz und selbstzufrieden gesagt: Das ist Wahrheit! Und schon rauschten die Füße derer, die sie begruben, vor der Türe und nach wenigen Jahren war ihre ganze Philosophie verlacht und verfallen. So viele haben im Namen der Wahrheit gelogen, so viele die Wahrheit zur feilen Dirne erniedrigt. Mengen von Forschern, Scharen von Denkern, große Chöre der Priester haben die Wahrheit gepredigt. Und als man näher zusah, war es eine mit etlichen von der Wahrheit geborgten Fetzen bekleidete Puppe oder Larve, die in sich zerfiel. Am Ende einer großen Forschungszeit, am Ende einer großen Philosophie, die über Griechenland hinüber nach Rom zog, am Ende der großen Gräberstraße, über die einst neben dem Philosophen Seneca der arme Teppichweber Paulus ging, steht höhnend, gähnend, trotzend die Frage: „Was ist Wahrheit?“ Und wenn ihr jetzt in die Zirkel der sogenannten Gottsucher, in die heimlichen Kreise der sogenannten Theosophen, die weder von Gott noch von der Weisheit sind, geht, und wenn ihr die moderne