Seite:Hermann von Bezzel - Der 2. Glaubensartikel.pdf/64

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wie wir sie erwarten, daß die Feinde, die Gleichgültigen, die ihm Abgewandten, daß die uninteressierte Heidenwelt sagt: an diesem Menschen ist Schuld zu suchen vergeblich! Und solange der Zweifel und die Bedenken und die Gleichgültigkeit dieses Bild anschauen, bald mit Mitleid, bald mit schneidendem Hohn, bald mit innerlichster Gleichgültigkeit, immer wieder ringt sich das Bekenntnis los: „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen!“ In dieses uninteressierte, vorurteilsfreie Wort wollen wir unser Wort hineinlegen, so warm wir es können und so innerlich wir es vermögen, und sagen: „Welcher keine Sünde getan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden.“ (1. Petr. 2, 22.)

 O, mein Christ, ein sündloser Sünder – welch eine Lüge, welch eine Wahrheit! Ein fleckenloser, tausendfach Befleckter – welch ein Widerspruch, welch eine Größe! Ein tausendfach Belasteter, Geschmähter und Gelästerter, an dem der Welt Sünde im Zerrbild zu erkennen, – und doch, durch die fürchterliche Karikatur, die die Sünde auf ihn häufte, leuchtet die reine und ungeschminkte Schönheit des Gottmenschen: „Er ist rein.“ Sie haben ihn angeklagt, und er hat geschwiegen, sie haben ihn verlästert, und er sprach nichts dagegen, sie haben ihm die Ehre tausendmal abgesprochen, und er hat das Gericht dem befohlen, der recht richtet, (1. Petr. 2, 23.) Keine Schuld an diesem Menschen!


IV.

 Und das letzte Wort ist doch das größte. Als Pilatus, der Mann, der so viele Eindrücke in sich aufgenommen hatte, vom Kaiser Tiberius an in Rom bis hinein in die Burg Antonias in Cäsarea, als Pilatus Jesum sah mit dem schlechten Soldatenrock angetan, mit dem Szepter in der Hand und der Dornenkrone auf blutiger Stirne, von Blut überströmt und mit Schmach überhäuft, da hat es den Mann übermannt und er hat das Wort