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einmal sagst du: Der Schlaf flieht mich, denn ich habe Sünde getan! Und woher kommt es, daß du manchmal wochenlang schwer an einem Eindruck trägst und kannst seiner nicht los, ja seiner nicht einmal habhaft werden. Du kannst ihn nicht einmal fassen, nicht sagen, warum er dir so schwer geworden ist; wenn du ihn fassen könntest, würdest du ihn von dir lösen. Es ist ein unbewußtes Gefühl, weil du gesündigt hast. Und wiederum eine Erinnerung verfolgt dich, weil du gefehlt hast. Seht, je ernster der Mensch wird, desto mehr erkennt er das Wachstum des Lebensernstes in seiner Sündenanschauung. Und wenn du noch so kirchlich wärest und dir allmählich ein handfestes Urteil über gläubige und ungläubige Predigt angeeignet hättest, wenn du auch ein fleißiger Gast am Altare wärest und hättest Sündenerkenntnis jetzt weniger als vor Jahren, so wärest du in deinem Innenleben zurückgekommen. Denn der Herr prüft den Menschen nicht an der Reinheit, sondern am Ernste der Sündenerkenntnis. Sündenerkenntnis aber verlangt heiß und sehnt sich hart nach Sündenvergebung.


II.

 Wer schenkt sie? was ist sie? was wirkt sie?

 Wer schenkt die Sündenvergebung? Muß ich das erst sagen? Der, Dessen Blut von aller Sünde frei macht, weil er Sein heiliges Blut für die Sünder opferte. Der am Kreuze – um ein Wort des seligen Spener zu gebrauchen – jeder Seele eine Urkunde ausgestellt hat: Ich stehe gut für all das, was diese Seele schuldet. Da hat Er Seinen Namen darunter gesetzt und ich brauche nur die Summe meiner Schuld oben einzuschreiben. In diese carta blanca, wie Spener sagt, in diesen leergelassenen Platz, darfst du alle deine schweren Lasten und alle deine Gebrechen vom ersten Tage deines Lebens an bis zum Todestage eintragen und kannst sprechen: Er hat für mich gezahlt.