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daß man die Kranken anzeigen solle, weil der Geistliche sie besuchen wolle, und dann hinzugehen, wo eben Kranke und Arme sind. Denn das Armenhaus soll dem Pfarrer nicht eine Stätte sein, die er nicht kennt und darum meidet, sondern ein Ort, da er fleißig einkehrt, um Fürsorge zu treffen und Licht und Hilfe zu bringen. Die Gemeinde wird es dem Pfarrer danken, wenn er dahin geht, wo ihr Elend, auch das verschuldete, haust. – Der Krankenbesuch sei durchweg kurz und lediglich auf den Zweck gerichtet. Zu Unterhaltungen ist die Zeit des Pfarrers nicht gegeben. Nicht jeder Besuch ende mit Gebet, aber jeder bringe ein (vorbereitetes) Gotteswort, deren man die Fülle auswendig kennen muß. Das Vorlesen schadet der Unmittelbarkeit des Verkehrs. Beten wird der Geistliche mit dem Kranken erst auf dessen Bitte hin, und das auch erst, wenn er den Zustand des Betenden kennt. Es ist nicht wohlgetan, die Perlen gleich auszustreuen und zu beten, ehe man mit dem Andern eins geworden ist. Die Gedanken aber des Gebets soll der Kranke geben. Die Sprüche und Verse, welche man jeweils darbietet und auf dem Wege zum Kranken bewegt hat, soll sich der Geistliche aufzeichnen, damit er wieder auf sie zurückgreifen kann. Und wenn er an ein andres Krankenbett tritt, soll er vom ersten nimmer reden. Der Besuch werde fleißig wiederholt, wenn das Ende naht, wohl öfter des Tages, immer um die Seele für die Heimat zu bereiten. Auch den abweisenden Kranken? Wenn er sich den Besuch geradhin verbittet, nein. Denn das Herrenwort Luk. 14, 23 ist nicht also gemeint, daß man die Gnade aufdrängen