Seite:Hermann von Bezzel - Der Dienst des Pfarrers.pdf/60

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Texte zu wählen, besser noch, wenn die Brautleute selbst ein Gotteswort angeben, in dem, was sie brauchen und geloben, gefunden werden soll. Jedenfalls soll keine Kasualrede so vorsichtig und weitsichtig, so schlicht und so ganz aus dem Worte Gottes heraus gehalten werden wie diese, der die Gefahr dichterischer Trivialität und sentimentaler Allgemeinheiten am meisten droht.

 f) Die Trauerrede (Leichenpredigt). Es ist viel gefragt worden, ob die persönlichen Verhältnisse eingehend oder nur kurz gestreift werden sollen, ob vom Toten viel gesprochen oder möglichst geschwiegen werden soll. Es scheint nur Mannesmut, wenn das Leben des Abgeschiedenen mit Ernst gerügt wird, und wenn er zu den höheren Schichten gehörte, mag es auch wirklich Mut sein, der bei den Frommen als Freimütigkeit empfunden und gepriesen, wohl gar zum Ruhm eines „sozial empfindenden“ Geistlichen verhelfen wird. Und doch ist es nur dann rechter Mut, wenn das Urteil über dem Toten – denn die Kirche hält nicht Totengerichte, sondern tut wie I. Petri 2, 23 geschrieben ist – vordem an den Lebendigen ob auch unter vier Augen, unter denen man sich die besten Freunde und die schlimmsten Feinde erwirbt, gelangt ist. Wenn die suchende, mahnende, strafende Seelsorge nicht geübt ward, dann ist es nicht recht Gericht zu üben, dann ziemt es sich zu schweigen und vorher das eigene Gewissen anzuklagen. War aber vorher Mahnung erfolgt, dann soll auch am Grabe das Zeugnis wider das Unrecht nicht verstummen, sondern klar und deutlich, aber ohne Schärfe sein: Röm. 12, 19.