Seite:Hermann von Bezzel - Die sieben Sendschreiben.pdf/103

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mag es der Gemeinde zumute sein, wenn sie diesen Brief erhält, daß der Heilige Gottes, der Treue, nichts anderes als Treue anerkennt. Wie mag sie frohlockt haben, daß er ihr einen solchen Brief schrieb! Was wird er einst sagen, wenn er Auge gegen Auge ihr gegenüberstehen wird! Daß es durch unser aller Herzen ziehen möchte, Christus möchte als der Heilige Gottes auch einen so guten und freundlichen Brief an uns schreiben können. Er schreibt ja mancherlei Briefe an uns, und jeder Brief, den er an uns schreibt, ist verschieden, je nach den Wendungen unseres Lebens, aber stets mit der Aufschrift begonnen: „Ich habe dich je und je geliebet.“ (Jer. 31, 3). Daß nur auch die Unterschrift nicht fehlen möchte: „Weil du bei mir beharret hast, soll es an mir nicht fehlen.“ Man könnte sagen: Es ist der Gemeinde zu Philadelphia auch leichter geworden, als es uns wird, und man wird daran nicht Unrecht tun. Es waren ja damals fast alle Gemeinden in Zelten, die jeden Tag des Abbruchs warteten, weil sie immer dem Tode ins Auge sahen.

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 Das Jahr 324 nach Christus (Konstantin erhebt das Christentum zur Staatsreligion) ist aber das verhängnisvolle Jahr für die Christengemeinden geworden; von dieser Zeit an bauten die Gemeinden ihre Häuser steinern und es sind jetzt nicht mehr Zelte des Abbruchs. Es herrscht nicht mehr das Bewußtsein vor: Der Herr kommt jeden Augenblick, sondern die Kirche siedelt sich auf Erden an, macht sich heimisch auf derselben. Darum ist es jetzt soviel schwerer, obwohl die 1900 Jahre für unsre eigene Seele im Verhältnis zu Christo nichts austragen. Was in der Kirche erlebt ist, das ist für die einzelne Seele nicht das Maßgebende,