Seite:Hermann von Bezzel - Die sieben Sendschreiben.pdf/29

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hätten sein mögen? Oder sind wir deshalb evangelisch-lutherisch, weil wir sagen müssen: „Nirgends ist die Liebe Jesu Christi so gesund erfaßt und begeistert erfahren und geschildert worden als in dieser Kirche.“? „Jesu, Deiner zu gedenken, kann dem Herzen Freude schenken, doch mit welchen Himmelstränken labt uns deine Gegenwart!“ (Zinzendorf). Dies Aufglühen der ersten Liebe, das hält mich bei meiner Kirche. Wir halten daran fest: Und wenn ich nocheinmal die Wahl hätte, ich möchte nie etwas anders sein als evangelisch-lutherisch. Wir sind doch alle in den Jahren, wo der Mensch nüchtern wird, – wiewohl es nicht immer so ist, daß mit dem Alter die Nüchternheit wächst – und dürfen es nicht bloß im Aeußern, sondern auch im Innern werden. Wenn aber die Nüchternheit in unserem Leben größer geworden ist, dann ist häufig auch die erste Liebe am Ende und so erkaltet, daß wir freudlos, begeisterungslos, traurig, mißmutig, träge an unser Tagwerk gehen. Es ist etwas Furchtbares um einen übel gelaunten Christen. Nicht, als ob wir nicht auch wüßten, was Launen sind; aber wir müssen sie sofort niederschlagen. Ein Christ darf keine Launen haben. Immer wieder muß die erste Liebe aufquellen und herangebetet werden. Diese erste Liebe läßt sich nicht hervorzaubern, aber sie läßt sich hervorbeten, denn:

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 „Gedenke, wovon du gefallen bist und tue Buße!“ (V. 5). Also, es gibt noch einen Trost und eine Möglichkeit, die erste Liebe wieder zu erhalten. Bei Gott sind alle Dinge möglich. Wir aber müssen bloß gedenken, wovon wir gefallen sind. Die Welt sagt: „Vergiß, es ist nicht mehr zu ändern!“ Bei