Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/188

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sich selbst verachten und sich selbst schmähen und verwerfen und die Ehe ist tot. Aber der andere Fall kommt, wenn ich recht sehe, noch häufiger vor, namentlich in den Ehen, da nicht zunächst der Segen Gottes, sondern der Segen des Reichtums begehrt ward; da wird die Frau leicht zur Herrin des Mannes, und so kehren sich alle Verhältnisse: wer tragen soll, der herrscht; wer gehorchen soll, der gebietet; wer schweigen soll, der redet; wer sich gedulden soll, der drängt zur Eile; wer ausgleichen soll, der schafft Widersprüche und Gegensätze. Glaubt es einem Manne, der in viele unglückliche Ehen Einblick getan hat und noch Einblick tut, der in vielen schweren Stunden es versucht hat, mit gedrückten Ehemännern, mit zertretenen Ehefrauen Mitleid zu lernen, glaubt es einem solchen Manne, wenn er sagt: der erste Fehler in der Ehe besteht darin, daß man sich nicht gegenseitig erzieht. Der Mann erziehe das Weib, daß es der Laune und Liebhaberei vergesse, daß es das Heimweh kräftig und heilig bekämpfe, daß es im Ernst der Pflicht die Freude der Pflicht erfahre. Der Mann erziehe das Weib, daß es nicht regellos seine Neigungen, seine Meinungen vorordne; er erziehe es aber auch, daß es das Weibliche nicht verliere, noch vergesse, sondern ganz Weib, weil ganz Christi sei. Und das Weib erziehe den Mann! So gewiß, wie der Mann an einer Art von Geringschätzung aller Kleinigkeiten des Lebens leidet und vergißt, daß unser ganzes Leben aus tausend Kleinigkeiten sich aufbaut und zusammensetzt, und so groß bei ihm die Gefahr ist, über diese Kleinigkeiten hinwegzuschreiten und damit große Gefahren heraufzubeschwören, so gewiß ist es die Aufgabe der Gattin, den Mann zu lehren, was er nimmer oder noch nicht weiß: wie vieles auf Kleinigkeiten ankommt. Ein erster Verdruß, ein Verdruß wegen einer ganz geringfügigen Sache – der Mann hat ihn längst wieder über Berufspflichten und Amtssorgen vergessen. Aber die Frau