Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/240

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der Tat nachweisen, weil du aber ein gutes Herz hast, schreibst du in seine Führung: „Allezeit treu und ehrlich.“ Du hast damit diesem Dienstboten einen Schaden zugefügt. Er wird dich in der Ewigkeit verklagen und der Herr wird dabei stehen und dir sagen: du hast ihn bestärkt in seinem Unrecht, die anderen betrogen, so fällt es auf dein Haupt. – Es ist ein Zeugnis über jemand abzulegen, der dir nahe steht. Es ist sinnliche Liebe, wenn du alles hervorsuchst, um deinen Liebling zu schmücken; seine Untugenden nennst du liebenswürdige Schwächen, seine Laster – charaktervolle Gewohnheiten, seine Schande ist leiser Schatten auf dem sonst so lichten und leuchtenden Bilde. Du liesest dein Urteil noch einmal durch und erliest mit, ihr beide wundert euch über die Unwahrheit und du hast sie gesprochen. Rede wahr!

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 Wo du nicht zu urteilen berufen bist, da suche deinen Nächsten möglichst zu verstehen; was du nicht verstehen kannst, das glaube; was du nicht glauben kannst, das hoffe, und wo du nicht mehr hoffen kannst, da laß Gott hoffen! Die fromme Legende erzählt: als einst der Herr mit seinen Jüngern ging, sahen sie am Straßenrand einen toten Hund liegen, der schändlich anzusehen war; während die Jünger sich unwillig abwenden von diesem Anblick, sagt der Heiland: Welch schöne Zähne hat dieses tote Tier! Wieviel kann man entschuldigen, wenn man sich selbst kennt! Die schärfste Kritik geht von denen aus, die sich nicht selbst ins Auge sehen. Ihr merkt es ja, wie weh es tut, wenn einer harmlosen Sache eine ungute Deutung gegeben wird. Ihr beschwert euch innerlich, indem ihr andere beschwert. Du weißt von deinem Nächsten ein Unrecht, es ist dir anvertraut worden. Warum sagst du das weiter? Ist es dir eine solche Freude, wenn dein Nächster fällt und verblutet? Bedecke, vergib und vergiß! Je mehr du in das Leben deines Nächsten hineinsiehst und dagegen deine eigenen Fehler bedenkst, desto milder wirst du gegen ihn werden.