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sie von deinem Fernsein reden, während du zu Hause weilst. Es ist ein großes Unrecht, wenn du die ganze Menge gesellschaftlicher Floskeln dir anlernst, um gebildet und auf der Höhe zu erscheinen, während die Engel der Wahrheit bitterlich weinen und in deinen Salons alle Feinde der Wahrheit weidlich sich freuen. Das ganze Christentum ist wurmstichig, wenn wir nicht den Mut haben, mit der Notlüge der Gesellschaft zu brechen, wenn wir nicht die Kraft haben, diesen ganzen Plunder über Bord zu werfen. Notlügen haben sich die Menschen selbst geschaffen. Der treue Gott führt dich nicht so in Versuchung, daß du lügen mußt, um bestehen zu können.

 Bin ich die Wahrheit jedermann schuldig? Denen, die sie nicht fassen können, noch nicht, nimmer, denen bin ich sie nicht schuldig. Ich kann Unmündigen, Geistesarmen und -schwachen, den Irren, die die Wahrheit gar nicht von mir haben können, nicht schuldig sein, die Wahrheit zu sagen. Wenn ein Besessener, ein Wahnsinniger mich frägt, ob ich ein Schwert besitze, so werde ich natürlich sagen: nein, für dich nicht! Das haben die Väter recht gesagt und das wird dir auch Gottes Geist zeigen: es ist die Wahrheit immer mit Liebe zu verbinden. – Notlüge aber, wie ihr sie nennt, ist Sünde, sind Seidenfäden, die an den Feind binden, unscheinbare Gewebe, die doch aus der Hölle stammen. Meide sie! Eure Rede sei: Ja, hinter dem kein zwiespältiger und unrechter Gedanke wohnt. Und eure Rede sei: Nein, und dieses Nein sei aus Herzensgrund gesprochen! Und alles, was darüber ist, das ist vom Übel. Wo viele Worte sind, da ist viel Sünde.

 Wie soll ich wahrhaftig werden? Unser Katechismus ruft mir zu: ich soll meinen Nächsten entschuldigen, Gutes von ihm reden oder, wie es im Lateinischen heißt, von ihm denken und reden, und alles zum Besten kehren. Meinen Nächsten entschuldigen, zunächst in meinem Herzen. Wenn dir bei deinem Nächsten etwas unbegreiflich ist, dann glaube an ihn und es ist dir leichter. Du machst es ja bei deinen