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über dich einstürmen, ein einfaches Wort kaum finden; du wirst zwischen Sünden des Willens und des Vorsatzes, und Sünden der Übereilung und Schwachheit, zwischen großen und kleinen Sünden, zwischen Sünden des Herzens, des Wortes und der Tat, scheiden und schließlich scheidet man nur deshalb unter den einzelnen Sünden, damit man gerade die, die man begangen hat, recht weit zurückstellen könnte. Was ist Sünde? Eine Richtung unter uns spricht davon: Sünde sei einfach ein Nochnicht, eine Kinderkrankheit, die jeder einmal durchmachen muß, damit er ein Christ und ein Mann würde. Wenn unsere Eltern im Paradies nicht gesündigt hätten, so wären sie jetzt nicht im Zustand der Unschuld, sondern im Zustand der Unreife, kindlich, unmännlich.

 So preist man die Sünde, daß sie einen Menschen erst dazu mache, was er werden soll. Ihr seht denn wohl, daß man bei einer solchen Betrachtung der Sünde eine Erlösung nicht nur nicht braucht, sondern geradezu verwerfen muß. Und andre sagen: Sünden sind Mängel des Verstandes: lehre dein Kind das Bessere kennen und es wird das Bessere tun, denn jegliches Gute ist lehrbar, und was noch nicht gelernt ist, das ist noch nicht gelehrt. Darum unterweise die Kinder – so lesen wir jetzt – in allem Schönen und Guten; sage dem Kind, daß das unrecht und jenes schön ist, und es wird von selbst das eine meiden und das andere tun. Oder man sagt: was heißt Sünde? Sünde ist bloß der Schatten, der auf das einzelne Werk fällt. Dasselbe Werk, das jetzt im Dunkeln liegt, ist nach einer Stunde rein und klar: nicht du sündigst, sondern die Sonne Gottes schädigt dich, welche nicht immer in ihrem vollen Reichtum auf dein Werk fällt.

 Ich habe euch nur einige Erklärungen der Sünde gesagt und euer Herz möchte sich allem zuneigen, wenn es nicht auf das Kreuz hinblicken und aus diesem Gedanken heraus