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Geist in unser Herz gesenkt, daß wir aus Schreck und Angst rufen dürfen: Abba, lieber Vater! Und in unsere Todesnacht, die täglich sich wiederholen muß, kommt diese Nacht von Gethsemane, da Einer Tränen und blutigen Schweiß vergoß – schwer, bang, gottverlassen, allein, gottverloren – bis der Vater zu ihm sagte: es ist alles wohlgetan, mein Sohn; um Deinetwillen sei es vergeben!

 Ich habe wohl gesonnen, wie man diese fröhliche, kindliche Gottesfurcht, dieses selige Ruhen in dem hl. Gott ohne Christi Leiden haben könnte. Ich habe es nie ersonnen und nie gelernt und werde es auch nie lernen. Das aber habe ich gelernt, daß, wenn alles mich verklagte, Einer zu mir trat und sprach: Ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre.

 Ich weiß wohl, man sagt es auch jetzt immer wieder und ihr hört es gern, es legt sich nicht so schwer aufs Gemüt: man kann in Gott immer den liebenden Vater sehen. – Nein, das kann man nicht. Man muß immer wieder seine Schrecken gewahren bis endlich die Angst uns dem zur Seite stellt, der die Welt überwunden hat.

 So in kindlicher Furcht über alle Dinge wollen wir ihm nahen, wir wollen uns scheuen, daß wir ihn verletzen, wie ein Kind den Atem verhält, daß der Vater nicht zürnt. Wir wollen die Minuten zählen, die uns noch von ihm trennen, und bei jeder neuen Wendung des Weges unserer Seele zurufen: siehe, Er kommt bald! Wir wollen in hl. Scheu vor der Sünde uns hüten, nicht um ihrer schreckhaften Folgen willen, sondern weil sie den betrübt, der so viel für uns getan hat.

 Und den wollen wir lieben, lieben, wie ein armes, unscheinbares Grüblein das Weltmeer in sich aufnehmen möchte, wie das Auge trunken die herbstliche Landschaft in sich einschließen wollte, wie diese arme Brust einmal aus tiefstem Grunde, ehe die Sonne scheidet, noch einmal