Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungsunterricht 1892.pdf/56

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unserer Tage hervortritt, ist eine bequeme Barmherzigkeit. Sie wird sich strafen müssen, daß sie sich nicht die Mühe nimmt oder nehmen kann, die einzelnen Persönlichkeiten anzusehen, sondern en bloc wirkt. Unsere Barmherzigkeit muß eine rein persönliche sein, wir müssen mit unserer ganzen Person dabei sein. Das Verlangen die Elenden, daß man ein persönlich in ihre Lage sich versenkendes Interesse habe. „Alle eure Sorge werfet auf Mich, denn Ich sorge für Euch.“ ER nimmt unser Leid auf Sich, als ob Er es verschuldet hätte. Wir sollen darnach streben, diese Barmherzigkeit unsers HErrn uns anzueignen, welche sich persönlich der Armen annimmt. Dann wird der in neuerer Zeit so stark hervortretende Unfug aufhören, daß man für die leiblichen Bedürfnisse sorgt und alles andere GOtt überläßt, da man alles erreicht glaubt, wenn man den Kranken richtig gebettet hat und dann ihn seinem Schicksal überläßt. „Die Seele aller Armenpflege ist die individuelle Pflege der armen Einzelseele.“ (Vincenz und Elisabeth Fry.) Sie haben zunächst nicht den Beruf, pastoral zu wirken. Der Frauen Wandel sei ohne viel Worte, aber in Kraft. Wenn an das Krankenbette eine nicht bloß christlich berührte, sondern in das Christentum eingetauchte Persönlichkeit tritt, dann ist rechte Barmherzigkeitsübung möglich. Darin unterscheidet sich die christliche Charitas von aller Humanität. Die Dame des Salons geht auch an das Krankenbett, spricht einige Teilnahme zeigen sollende Worte, schüttelt die Kissen und läßt einige Geldstücke da. Das ist ein sich Abfindenwollen mit der Barmherzigkeit: man verkümmert und verkürzt sich dabei nichts im Leben. Die christliche Barmherzigkeit wendet sich mit persönlichem Interesse an die einzelnen, mit jenem persönlichen Interesse, welchem die Seele des einzelnen wichtig ist. Der stille Wandel ohne viel Worte muß Ihnen vom HErrn geschenkt werden. Die Dame der Welt kommt und geht. Sie kommen, und mit Ihnen kommt Sein Friede. „Wo Ihr in ein Haus eintretet, so sprechet: Friede sei mit diesem Hause!“ Und wo ihr an ein Krankenbette tretet, so sprechet: „Friede sei mit diesem Kranken.“ Dann kann es sein, daß Sie