Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungsunterricht 1892.pdf/57

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manches ungeschickt machen, aber der Kranke dankt Ihnen doch. Er fühlt, wo die Form ist und wo das Wesen. Wenn ich alle Technik hätte und Glaubenseifer und Heroismus des Tragens und Unermüdlichkeit der That und hätte das persönliche Interesse der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Wenn Sie mit Glut und Eifer die niedrigsten Magddienste an dem Kranken verrichten und nicht die persönliche Liebe zu dem Kranken haben, so wird der HErr einst sagen: „Ich habe euch nie erkannt.“ Wenn Sie aber aus Liebe bei nahendem Frühling dem Kranken nur einen Blumenstrauß geben, der ihn hinweisen soll auf unvergängliche Herrlichkeit, er wird es Ihnen danken (nicht Bekehrungsversuche dabei wittern). Das sei die Hauptsache bei aller Barmherzigkeit: persönliches Interesse für den Leidenden.

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 Und nun die Frage wegen des Trostes. Zum Trösten gehört besonderer Takt. Wer getröstet ist, der kann auch trösten. Wenn wir aus dem eigenen Innern wissen, was es heißt, verloren und verdammt sein und einen gnädigen Heiland haben, dann können wir auch darreichen aus der Kraft. Nicht aufdringlich und vordringlich Christum predigen, aber in der stillen Weise. Das wird die Zukunft der Barmherzigkeitsübung sein, daß man individualisiere. Je mehr unsere Zeit und unsere Kirche auf die Massenarbeit hindrängt, desto mehr haben Sie die heilige Pflicht: suchen Sie mit der Gnade zu vereinzeln. „Er nahm ihn von dem Volke besonders.“ Nur keine Massenarbeit! Das Christentum ist viel zu individuell, es verträgt das nicht. Wohlthätigkeitsbazare, Konzerte, sonstige Unternehmungen – eigentlich sollte man einer Dienerin Christi nicht sagen müssen, daß das fast durchweg zu verwerfen sei. „Hebe dich weg von mir!“ Sie beflecken sich damit. Die ganze Bazartheorie beruht auf folgendem Satz: Wir wollen euern Egoismus zur Barmherzigkeitsübung ausnützen. Das ist nichts anderes als: „Lasset uns Böses thun, auf daß Gutes heraus komme.“ Wir tolerieren damit die Sünde. Die haben Sie zu fliehen. Unser HErr Christus sagt: „Wenn Du wohlthust, so laß die Linke nicht wissen, was die Rechte thut.“ Aber hier füllt man die Rechte, damit die Linke