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indem sie den Blick weitet, das Herz auftut, den Mut durch ihre Fortschritte stärkt. So hat manch einer unbeschadet der Anerkennung des guten Willens die Missionsnationalspende mit der auf sie gewandten Organisation und Agitation sorglichen Auges betrachtet und denkt skeptisch über den Betriebsfonds, den man zurückbehalten hat ad nutum imperatoris. Es sind Mittel angewendet worden, die Haussammlung z. B., die Bedenken erregen, die Loyalität bei dem besonderen Anlaß ward mächtig angerufen, Leugner der Echtheit des Missionsbefehls, ja selbst des Missionsgedankens bei Jesu setzten ihre Namen friedsam neben den der Männer des Alten Glaubens, der Weimarer Missionsverein, den die Edinburgher Weltkonferenz ebenso ablehnte als die kontinentale Missionsvereinigung, ward gleichberechtigt, und auf der Liste der Missionszuwendungen prangt auch die – Adventistenmission! – Wird nicht mancher Mißerfolg bedeutender Missionen einmal darauf zurückgeführt werden müssen, daß sie zu viel Kirchenpolitik trieben und in die äußeren Sorgen der Heimatkirche sich verflochten, so daß Blick und Kraft verkürzt wurde?

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 Und je regsamer die Innere Mission sich zeigt, die in dem kleinen Bayern, auf klarem Bekenntnisstand sich erbauend, letzter Jahre Bedeutendes geleistet, Bedeutenderes angeregt hat, je größeren Arbeiten sie willig und freudig mit der Jugenderziehung, mit der Nachpflege der Kirchenarbeit und der Aufsuchung der Entkirchlichten sich unterzieht, desto mehr muß man ihr Licht und Odem gönnen und lassen. Was unter dem Segen der verfaßten Kirche, freilich oft einem verspäteten, in die Erscheinung trat, ohne aus ihr geboren zu sein, soll frei sich entfalten. Wobei es sich von selbst versteht, daß die inneren Sorgen der Kirche, nicht der verfaßten, sondern der über sie hinausragenden des dritten Glaubensartikels je mehr die Mission erfüllen und beschäftigen, je mehr sie dem Bekenntnis dient in Tatpredigt und Predigttat. Es bleibt eine große Demütigung für lutherisches Bekenntnis, daß es die Schönheit des Dienens etwa in der Diakonie – wenn vordringlichere Aufgaben zu näherem und nächstem Dienste mangeln – so wenig darlegen kann. Der Katholizismus muß fast seine „Freiwilligen“ zurückhalten, das Luthertum wirbt und bittet vom frühen Morgen bis zum Abend, aber die Müßigen wollen nicht kommen, sie haben die Frauenfrage zu lösen

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Hermann von Bezzel: Zeitbetrachtung. A. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1914, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Zeitbetrachtung.pdf/21&oldid=- (Version vom 10.9.2016)