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von Geschichten zwischen Scherz und Ernst, das wußten die Frauen, und sie baten: „Erzählen Sie es uns!“

Und der Maler Robert erzählte:

„Er hieß Joseph Müller. Das ist kein großartiger Name, aber er hatte ihn von seinem Vater. Aeltere Bewohner der Laudongasse im achten Bezirke werden sich noch des Vaters erinnern, der in einem kleinen Gewölbe nahe der Kochgasse alte Schuhe flickte und dabei heiter dreinsah, wie irgend ein griechischer Philosoph. Ich gebe absichtlich Namen und Wohnort so genau an, damit Sie diese Geschichte nicht für eine gänzlich aus der Luft gegriffene halten. Doktor, erkundigen Sie sich in der Laudongasse, ob dort nicht ein Schuhmacher Müller gelebt habe.

Joseph Müller kam zu einem Mechaniker in die Lehre, wurde mit der Zeit Gehülfe und eines Tages erfand er das lenkbare Luftschiff. Es scheint, daß er das Prinzip durch beharrliches Nachdenken entdeckte. Ich verstehe nicht viel von der Physik, meine Erklärung wird daher Einiges zu wünschen übrig lassen.

Ich weiß nur so viel, daß Joseph Müller von einem Apfel ausging. Er hatte bemerkt, daß ein Apfel sich in der Luft wesentlich anders benehme, als zum Beispiel der Erdball. Ein Apfel muß auf den Tisch gelegt werden, wenn er nicht zu Boden fallen soll. Die Erde hingegen schwebt ganz frei im Weltraum. Die Bewegung ersetzt also die Stützen, und ein Körper kann sich beliebig lang in der Luft halten, wenn seine Bewegung und Drehung in einem gewissen Verhältnisse zu seinem Gewichte ist. Joseph Müller rechnete dieses Verhältniß aus, und er fand auch die zur fortwährenden Erzeugung der Bewegung nöthige Kraft in Sprengstoffen, deren Namen mir in diesem Augenblicke nicht einfallen. Er hatte nämlich in seinen

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/32&oldid=- (Version vom 1.8.2018)