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wenn ich unsern Hotelgenossen, den Amerikaner Mr. Timberlake, täglich nach dem Diner in einer von mir vorher angesagten Minute dahin brachte, eine und dieselbe Geschichte zu erzählen, die ich ihn nie vollenden ließ. Wenn der dicke Ehrenmann bei der Stelle angelangt war: „Der Zug stand still. Da tauchten plötzlich sechs vermummte Indianer auf …“ so wußte ich immer irgend ein kleines Unglück zu improvisiren, das ihn zwang, innezuhalten. Man hat im Upper-Capuccini-Hotel nie erfahren, was die sechs Vermummten thaten; aber täglich mußte der arme Mr. Timberlake von vorne beginnen, „weil wir den Anfang nicht mehr wüßten …“ Ich will Ihnen nicht alle diese Dummheiten erzählen. So etwas ist eigentlich nur lustig im ersten Augenblicke, wo der Streich ersonnen und ausgeführt wird. Auch die Prellereien haben eine beauté du diable … Hatton-Green versuchte wohl ab und zu, mir den Spaß zu verderben, er hielt immer Wetten gegen mich. Aber man lachte doch, und die Wetten verlor er.

So machte ich mich auch einmal anheischig, zu Miß Coverley’s Unterhaltung einen Aufruhr in dieser braven Stadt Amalfi zu insceniren, und zwar mit einem Aufwande von nur zehn Francs. Einen regelrechten Aufruhr ohne Blutvergießen, aber mit einschreitender Polizeimacht, erbitterten Bürgern, heulenden Weibern, kreischenden Gassenjungen und beschwichtigendem Sindaco. Der Kapitän wollte zehn Flaschen Champagner dagegen wetten. Ich wich natürlich nicht zurück. Abgemacht! Nur wünschte Herr Hatton-Green ausreichende Garantien, daß ich nicht um einen einzigen Centesimo mehr zur Beunruhigung der Bevölkerung aufbieten würde. „Mein Wort genügt doch?“ sagte ich. – „In jedem anderen Falle,“ erklärte er; „bei einer Wette kann jedoch nur von objektiver Sicherstellung

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)