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ein frivoler und impertinenter Scherz war, den ich mir mit dem armen Pöbel von Amalfi erlaubte. Aber Sie werden hören, wie ich dafür bestraft wurde. Auch war ich damals um zwanzig Jahre thörichter als heute. Auch setzte ich mich immerhin der Möglichkeit aus, ein paar Messerstiche aus dem Handel fortzutragen. Jedenfalls brauche ich mich meines Streiches weniger zu schämen, als der rothe Kapitän Hatton noch jetzt über den seinigen erröthen sollte …

Ich hatte also vor, die Münze allmählich unter die Leute zu streuen, was sie in Hitze bringen mußte. Wissen Sie, was das für Kerle sind? Arm, bettelarm, faul, dumm und gierig. Das brät in Lumpen an der Sonne, das liebe Leben hindurch. Als Kinder jagen sie barfuß und seelenvergnügt über die heißen Strandkiesel. In der mannbaren Zeit lungern sie schläfrig im Schatten. Die Greise sitzen wieder in der Sonne, auf den Stufen der großen Freitreppe vor der Kathedrale und küssen den feisten Priestern, die vorüberkommen, die Hand. Vielleicht möchten sie arbeiten? Aber die Menschenkraft ist billiger als die des Zugthieres. Für zwei Soldi thun sie Alles, was man will, sogar etwas Rechtschaffenes. Der Lazzarone in Neapel ist ein vornehmer, ein fleißiger Herr gegen den Faullenzer von Amalfi. Jedes kleine Ereigniß lockt Hunderte zusammen. Als die wildere Brandung eines Tages ein schlecht verwahrtes Boot zerbrochen hatte, war die halbe Stadt um den wehklagenden Padrone versammelt. Als das geringe Fahrzeug später ausgebessert wurde, umgab neuerlich eine dichtgedrängte Menschenmenge den einzigen arbeitenden Zimmermann … So ist das Völkchen beschaffen, mit dem ich experimentirte. Ich begann damit, die Gassenjungen um mich zu versammeln. Für zwanzig Centesimi kaufte ich gedörrte Kürbiskerne, von denen ich

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/83&oldid=- (Version vom 1.8.2018)