Georg Christoph Lichtenberg, Franz Kottenkamp: W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen | |
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Mylord selbst ist zwar von der dem Zuschauer zugewendeten Seite
seiner alterthümlichen Carosse mit drei Abtheilungen, sechs Pferden und
vier gepuderten Lakaien hinten auf, für den Augenblick nicht recht sichtbar;
allein dafür gibt der Schwertträger (sword bearer) mit einer Kopfbedeckung,
die einem umgekehrten Suppenlöffel gleicht, einen genügenden
Begriff von seiner Erhabenheit. Hinter ihm folgen (etwas im Hintergrunde)
das Banner von London, der geharnischte Kämpfer der Stadt
(Champion of the city), die Gilden mit fliegenden Fahnen u. s. w.
Auch sind Fahnen als Verzierungen angebracht; die am vordern Gerüst
ist die der Nadler, eine Gilde, welche freilich jetzt keinen einzigen Nadler
mehr enthalten wird, aber noch immer genug Mitglieder erhält, weil
jeder Bürger der City, er mag von hohem oder niederem Stande sein,
in eine Handwerks- oder Handels-Gilde sich aufnehmen lassen muß.
Seine Herrlichkeit wird von dem Volke jeden Standes mit dem geziemenden „Hurra!“ empfangen. Der Wagen ist in diesem Augenblicke von der Metzgerzunft umringt, die den Lärm durch das wohlklingende Zusammenschlagen ihrer Insignien, des Beils und Markknochens, noch vermehrt. Ein Blinder, im Gedränge am Gerüste, stimmt auch in das allgemeine Halloh mit ein. Ueberall sind Zuschauer, sogar auf den Dächern. Das Paar unter dem Thronhimmel, auf dem mit Tapeten behängten Balkon des Hotels The King’s Head (Königshaupt), ist der Vater Georg’s III., Friedrich Prinz von Wales mit seiner Gemahlin, zur Zeit, wo dies Blatt herausgegeben wurde, der vermuthliche Thronerbe. Also auch ein Mitglied der königlichen Familie beweist Goodchild seine Hochachtung, indem es bei seiner Erhebung zuschaut.
Natürlich fehlt es bei dieser Gelegenheit nicht an Unfug. Ganz vorn sind zwei kleine Mädchen mit einem Gerüste, welches aus einem Brett, einem Faß und einem Schemel bestand, zu Boden gestürzt. Der daneben stehende und sich darüber freuende Knabe ist wahrscheinlich die Ursache dieses Falles. Auf dem Gerüste rechts will ein Mann ein Mädchen küssen, und erhält dafür einen Faustschlag auf’s Auge, so daß ihm der Hut vom Kopfe fliegt. Ein Dritter, daneben stehender, will dies liebende Paar noch näher zusammenbringen. Unter dem Gerüst
Georg Christoph Lichtenberg, Franz Kottenkamp: W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen. Literatur-Comptoir, Stuttgart 1840, Seite 664. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hogarth_erkl%C3%A4rt_von_Lichtenberg_(Kottenkamp_Stuttgart_1840).pdf/701&oldid=- (Version vom 27.12.2020)