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Bemerkung über die Barbiere und die Friseure. Es ist unglaublich, zu was für großen Zwecken sich die Natur dieser sonst unbedeutenden Wesen bedient. So wie manche Insecten befruchtenden Blüthenstaub nach Blumenkelchen tragen, die, ohne diesen Dienst, unfruchtbar geblieben wären, so tragen diese Menschen Familien-Anecdötchen von Ohr zu Ohr, zur Beförderung einer Menschenliebe, die ohne diese Vermittler nie erweckt worden wäre: oder schicklicher vielleicht: wie gewisse Vögel unverdaute Samenkörner in unzugängliche Höhen zur Beförderung physischer Vegetation tragen, so tragen sie zur Beförderung einer gewissen moralischen, manches Anecdoten-Körnchen aus den Tiefen der Stadt in die höhern Regionen derselben. Die Sache hat wirklich Aehnlichkeit, und der ganze Unterschied liegt hauptsächlich in der geringen Verschiedenheit der Organe, womit beide den unverdauten Stoff an die Behörde absetzen.

Zur Linken also sitzt, mit britischem Golde, britischen Demanten und britischem Schmalz reichlich besetzt und behangen, den Arm nachläßig auf einen benachbarten Stuhl gelehnt, der Hemling Carestini, wie man sagt, eines der lieblichsten Pfeifchen, die das Stimm-Messer je aus italiänischem Rohr geschnitten hat. Aber man sehe nun auch hin! Gütiger Himmel! was für ein ekelhafter Dudelsack aus dem Meisterstück der Schöpfung wird, sobald es die Kunst unternimmt, aus ihm ein Flötenwerk zu schnitzeln. Dem talgigen Unterkinn fehlt beides, Bart und Kraft. Die starrende Bandschleife, mit dem funkelnden Demant-Kreuze, dem peiligen Kreuze der Unheiligsten[1], sind nur ein erbärmlicher Ersatz für jenen Verlust. Dadurch erhält das Mäulchen eine gewisse, milchbreiige,


  1. Pope in s. Lockenraub sagt von Bellindens Halsgeschmeide:

    On her white neck a Diamond cross she wore,
    Which Jews might kiss and infidels adore.

    An ihrem weißen Busen hing ein Demant-Kreuz, welches Juden hätten küssen und Ungläubige anbeten mögen.