Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/1183

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ein Mißverhältniß heraus. Bei Charakterbildern tritt es um so mehr hervor, daß die Verhältnisse sich nicht mathematisch bestimmen lassen, z. B. Ruderer haben immer verhältnißmäßig dünnere Schenkel, als Arme und Schultern, Lastträger dickere Beine. Hogarth sagt, er würde z. B. den Charon mit breiten Schultern und Spindelbeinen malen. Wie es sich mit den Verhältnissen, die sich nach der Zweckmäßigkeit der Gliederform richten, wirklich beschaffen ist, kann man aus der Statue des Apollo von Belvedere erkennen. Figur 12 B 1.

Antinous, Figur 6 B 1, bei welchem die Verhältnisse durchaus von der Art sind, daß sich dieselben vom gewöhnlichen Leben nicht entfernen, erfüllt den Beschauer nur mit Bewunderung, während der Apoll von Belvedere, wie alle Reisende gestehen, etwas mehr als Menschliches offenbart. Dies aber beruht auf einem Mißverhältniß, oder wenigstens auf einer Abweichung von den gewöhnlichen Verhältnissen, wie man sie an Antinous studiren kann.

Die Größe der Form, wie schon bei dem Massenhaften früher erwähnt wurde, bewirkt den Eindruck des Adels; dies läßt sich auch auf die Verhältnisse übertragen. Würde jedoch die Hand im Verhältniß zu den übrigen Körpertheilen größer gemacht, so ergäbe sich eine Plumpheit und ein Mangel an Zierlichkeit; würden die Arme länger dargestellt, so müßten sie als schlotternd und tölpisch erscheinen. Würde die Länge und Breite des Mittelkörpers vermehrt, so ergäbe sich eine gewisse Schwerfälligkeit. Geschähe dies bei dem Kopfe, so käme ein Eindruck wie in Figur 17 B 1 heraus. Es bleibt also nur der Hals und die Beine, wobei man die Vergrößerung anwenden kann. Durch die Größe des Halses würden weitere und schwanengleiche Wendungen des Kopfes möglich. Durch die größere Länge der Schenkel wird eine größere Behendigkeit in der Bewegung des oberen Körpers und eine übermenschliche Geschwindigkeit angedeutet. Die Eigenschaften, welche bei einem Sonnengotte vorausgesetzt werden müssen, werden also durch jenes Mißverhältniß angegeben, ein weiterer Blick nach allen Seiten hin und eine größere Schnelligkeit, wie sie die Menschen haben. – Dasselbe Verfahren kann man an den Bildern Parmegiano’s beobachten. Viele