Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/18

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Zuthaten die Aufmerksamkeit des Beschauers von den Hauptfiguren nicht ablenken dürfen, um dadurch die Kraft des Ganzen zu vermindern, so weist eine Mannigfaltigkeit von häuslichen Bildern bei Scenen des gewöhnlichen Lebens auf den Zweck hin, einen höheren Grad der Wahrscheinlichkeit dem Ganzen zu ertheilen, – Hogarth war wenigstens der Erste, welcher alle drei Punkte in größerer Ausdehnung consequent zur Ausführung brachte. In den früheren Malerschulen war dies, sowohl in der Wahl der Motive, wie in der Ausführung nie geschehen. Nur der niederländische Maler Jan Steen, der alle übrigen Künstler jener Schule wenigstens an Humor und Erfindungsgabe übertrifft, hat einige Stücke geliefert, welche an diese Manier Hogarth’s hinanstreifen[1]. Dies letztere ist vielleicht zugleich ein Grund, weßhalb die Engländer nach ihrer nationellen Gemüthsrichtung eine besondere Vorliebe für diesen Maler hegen, und häufig Stücke von ihm zu unverhältnißmäßig hohen Preisen ankaufen.

Was die Persönlichkeit des Schöpfers dieser Gattung betrifft, so gereicht es Hogarth um so mehr zur Ehre, daß er bei vielem Ungemach seine ganze persönliche Stellung und sogar seine Meisterschaft in der Kunst durch eigene Kraft und ohne alle Unterstützung erwarb. Er war von niederer Geburt und ohne Vermögen aus einer englischen Bauernfamilie in Westmoreland entsprossen, und zwar der Sohn eines Schulmeisters, der sich nach London gezogen hatte, und neben seiner Schule für Lesen und Schreiben zugleich seinen Unterhalt in der niederen Stellung eines Correctors für die Presse erwarb. Dort wurde Hogarth 1698 geboren. Sein Vater besaß zu wenig Vermögen, um ihm eine bessere Erziehung geben zu lassen; er ward zum Handwerker bestimmt, und in früher Jugend bei einem Goldschmied in die Lehre gegeben, wo anfangs seine einzige Unterweisung im Zeichnen nicht der Art war, um sein Talent besonders zu befördern. Er mußte nämlich ausschließlich Wappen darstellen, und lernte nichts weiter für seine spätere Kunst, als das Graviren. Nach Vollendung seiner Lehrlingszeit scheint er von jenem erlernten Handwerk lange Zeit gelebt und seine Ersparnisse auf das Erlernen des Zeichnens und Kupferstechens verwandt zu haben. Im Malen hatte er nie methodische Anweisung gehabt, sondern nur


  1. So findet sich nach Waagen: „Kunstwerke und Künstler in England, II., p. 144,“ von Jan Steen ein Bild in der Gallerie des Bankier Hope, worin ein Schlemmer dargestellt ist, und wo eine Fortuna auf dem Kamin steht, mit der holländischen Unterschrift: „So gewonnen, so versteerd,“ eine Anspielung, die, wie Waagen bemerkt, an ähnliche in Hogarth’s Bildern erinnert. Ein anderes von demselben Verfasser beschriebenes Bild dieses Meisters zeigt mit Hogarth eine noch größere Verwandtschaft. Es befindet sich in der Sammlung des Hrn. Beckford, und Waagen beschreibt es auf folgende Weise: Der Künstler selbst hat mit seiner wohlgenährten Hälfte in solchem Maaße dem Glase zugesprochen, daß beide am Tische eingenickt sind. Alles in der Wirthschaft beeilt sich, von diesem Zustande Vortheil zu ziehen. Ein kleines Mädchen langt in die Tasche der Mutter. Daß dieses nicht umsonst geschieht, zeigt ein kleiner Bruder, welcher triumphirend ein schon erobertes Stück Geld emporhält. Das kleinste Kind führt einen kräftigen Schlag nach einem Weinglase auf einem Stuhl. Im Hintergrunde steckt der Knecht seinem Schatze Geld zu. Auch die Hausthiere feiern nicht. Der Hund hat sich über eine Pastete auf dem Tische hergemacht, die Katze durch einen Sprung nach einem Vogel ein Gefäß von chinesischem Porcellain zerschlagen, der Affe macht sich mit Büchern und Urkunden lustig. Selbst die Elemente wissen ihren Vortheil zu ziehen, denn das Feuer verzehrt die Gans am Spieß. – Waagen bemerkt hiebei: eine solche Laune stehe keinem andern niederländischen Maler zu Gebot. Waagen, Kunstw. u. K. in Engl. II. p.335.