Seite:Hogarth erklärt von Lichtenberg (Kottenkamp Stuttgart 1840).pdf/37

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sich wenigstens nach dem allgemeinen nationellen Typus bilden ließen, wo also die Phantasie bei der Composition nicht zu sehr in Anspruch genommen wurde, waren die Zweige, worin die britische Kunst Bedeutendes leistete. Reynolds war vor allem groß als Maler von Portraits und von Kindern, bei letzteren nicht allein in Hinsicht der Gestalten, sondern auch in der naiven Beschäftigung und graziösen Gruppirung; in der Historienmalerei zeigte er sich dann als Meister, wenn er den Stoff aus der Geschichte seines Vaterlandes, oder aus Dichtern nahm, welche dieselbe behandelten, z. B. in dem Tode des Cardinal Beaufort nach Shakespeare[1]. Dasselbe galt von West, dessen Tod des General Wolf voll Wahrheit und Leben und Effect erscheint, während er als trockener Akademiker in denjenigen Stücken sich erweist, wo er das Sujet aus der entfernteren britischen, oder der alten Geschichte entnahm (z. B. die Landung Carl’s II., der Tod des Germanicus). Der Landschaftsmaler Gainsborough war ferner von allem Idealischen nach Art Claude Lorrain’s weit entfernt, in Darstellung der vaterländischen und frischen Natur mit der Staffage von Pächtern, Fischern u. s. w. besonders glücklich, und verdient dem ersten Niederländer in dieser Richtung, Ruysdael, an die Seite gestellt zu werden.

Auch in unseren Tagen wird dieselbe Richtung bei englischen Künstlern wieder erkannt. Sir Thomas Lawrence galt mit Recht als einer der ersten Portraitmaler, welchen unsere Zeit überhaupt hervorbrachte; Wilkie glänzte ebenfalls als solcher, wie auch in der von Hogarth geschaffenen Gattung und derjenigen Historienmalerei, welche durch den Eindruck gleichzeitiger Ereignisse und lebender Menschen verursacht wurde. Was das zweite betrifft, so ist die Austreibung der Pächterfamilie auch auf dem Festlande bekannt genug. Hinsichtlich des dritten, so zeugt das Mädchen von Saragossa[2] nach einer bekannten Stelle Byron’s, und die Predigt des schottischen Reformators Knox von einer Wahrheit und Lebendigkeit, welche die unmittelbare Anschauung eines fremden Nationallebens[3] so wie die wahrsten Erinnerungen an vaterländische Sitten und Gesinnungen bezeugt. – Uebrigens ist die ganze Richtung der englischen Kunst noch lange nicht geschlossen, und deßhalb scheint ein entscheidendes Urtheil über die Maler unserer Tage, wobei diejenigen Künstler mit inbegriffen sind, welche in der besondern Gattung Hogarth’s fortarbeiten, für den Augenblick wenigstens voreilig.


  1. Widerlich ist z. B. der Tod Ugolin’s von Reynolds nach Dante’s bekannter Stelle.
  2. Das Mädchen feuert bei der Belagerung eine Kanone an der Stelle ihres gefallenen Geliebten ab.
  3. Wilkie lebte mehrere Jahre in Spanien. Die Stelle Byron’s ist: chyld Harold canto I. Stanze 53, 54, und 55.