O allertraurigste Mutter, du sahest ihn an in mütterlicher Liebe und feuchtetest sein Angesicht mit deinen fließenden Zähren. Du küßtest seine großen und tiefen Wunden oft und viel, aber o weh! du hast gesehen, daß das Leben aller Lebendigen mit dem erschrecklichen Tode getödtet, mit durchlöcherten Händen und Füßen, mit zerstochenem Herzen, mit gar zerrissenem Leibe auf deinem heiligen Schoos ruhete.
Ich verwundere es nicht, wenn alle Engel geweint hätten, die da gegenwärtig waren, da ihr Schöpfer und Gott so erbarmungswürdig auf dem Schoos seiner heiligen Mutter ruhete.
O wie ist das ein verhärtetes Herz, das nicht Mitleid haben mag mit dem Herrn und seiner betrübten Mutter.
Ja, spricht Bernhardus: o Eisen und nicht Herz, o Herz härter als Adamas, o steinernes und nicht menschliches Herz, warum wirst du nicht entzündet vor Liebe?!
O allerunseligstes Herz, warum hast du nicht wieder lieb Den, der dich bis in den Tod lieb gehabt?!
O die allerböseste Sünde ist die Undankbarkeit. O mein Gott, nimm von mir das undankbare steinerne Herz, Haben deine Wunden überwunden die Mächtigkeit des Teufels, zerbrochen die Pforte der Hölle, aufgethan die Thore der Seligkeit; und
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)