Seite:Holzwarth Passionsbilder.djvu/113

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mein allerbösestes, verhärtestes Herz mögen sie nicht zum Mitleid erweichen?!

St. Augustinus spricht:

Der Ritter empfindet die Wunden nicht, wenn er sieht, daß die Wunden des Fürsten größer sind, als die seinigen; so machte das Kreuz dem heil. Andreas seine Pein süß. Er sprach:

„O gutes Kreuz, dran mein Gott gelitten hat, du kommst mir zu Freuden; denn ich habe dein lange begehrt.“

Auch liest man, daß dem heil. Stephanus die harten Steine süß und lind waren, da er erkannte, daß die Wunden und die Pein, die sein Gott und Schöpfer für ihn gelitten, größer und härter gewesen, denn sein Schmerz.

Auch sprach der heil. Laurentius, da er auf dem Rost gebraten lag:

„Die Kohlen verleihen mir eine Kühle;“ denn inwendig war die göttliche Tröstung und das göttliche Feuer so groß in seinem Herzen, daß er des heißen Feuers nicht empfand und die Gluth des Rostes für Nichts schätzte.

Aber siehe, dein Herr Jesus Christus litt ohne Labung und ohne Trost, daß seine heilige Menschheit erseufzen mußte: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Willst du, o christliche Seele, mit süßem Troste gar nichts leiden?

Empfohlene Zitierweise:
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/113&oldid=- (Version vom 1.8.2018)