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Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843


Ein großer Theil der Bevölkerung, und zwar besonders die Araber bestehen aus Wanderstämmen, treiben Viehzucht und leben unter Zelten, wie die Illustration eins darstellt. Die Kabylen beschäftigen sich mehr mit Ackerbau und wohnen deshalb in Dörfern. Es giebt jedoch auch überall Städte im Lande, wo die übrige Bevölkerung ihren Sitz hat, Handel und Gewerbe betrieben werden und sich der Mittelpunkt der Landesverwaltung befindet. Die Hauptstadt des ganzen Landes ist Algier, fast in der Mitte der Küstenstrecke, auf einem Massif genannten, Hügellande, voll quellreicher Thäler mit üppigem Pflanzenwuchs und lieblichen Landhäusern. Weiterhin wird diese durchschnittene Höhe zu einer Hochebene, die Sahel heißt und an deren Fuß sich in einer Länge von 10–12 und einer Breite von 3–4 Meilen die Thalebene Metidscha bis zum kleinen Atlas hin ausbreitet. Die Metidscha ist zum Theil fruchtbar und angebaut, zum Theil sumpfig und öde, der Nordabhang des Atlas bebuscht und bewaldet, größtentheils von Eichen und Mastixbäumen. Die Stadt selbst ist terrassenförmig erbaut, hat meistens enge Straßen und nur wenige ausgezeichnete Gebäude, unter denen, nach der Sprengung des Kaiserforts bei der Einnahme im Jahr 1830, die Kasauba oder der ehemalige Palast des Deis zu den bemerkenswerthesten gehört. Algier zählt 70,000 Einwohner. In der Nähe und noch innerhalb der Metidscha liegen das früher als Marktplatz, jetzt als Sammelpunkt des Heues von den reichen Weiden der Umgegend bekannte Buffarik und Koleah am Südabhang des Sahel, umgeben von herrlichen Orangen-, Citronen- und Granatbaumgärten, die mittels künstlicher Leitungen reich bewässert sind.

Westlich von Algier liegt sehr pittoresk, auf zwei von einer ziemlich tiefen Schlucht, in der ein Mühlbach fließt, getrennten Hügeln die Seestadt Oran, wo die Spanier während einer dreihundertjährigen Herrschaft bewunderungswürdige, unterirdische Verbindungswege, eine prachtvoll gewölbte Waarenniederlage, einen in Felsen gehauenen Hafen, drei Kirchen, ein Schauspielhaus erbauten und den Aufenthalt so angenehm machten, daß man Oran Corte chica oder den kleinen Hof zu nennen pflegte. Ein Erdbeben richtete aber am 9. Oct. 1790 solchen Schaden an, daß einige Jahre später die Spanier abzogen. Orans Wichtigkeit erhöht der dazu gehörige, zu Wasser 5 Meilen, zu Lande 7 Viertelstunden nordwärts davon gelegene Hafenplatz Mers-el-Kebir, der eine bedeutende Tiefe und guten Ankergrund hat, so daß die größten Kriegsschiffe dort eine Zuflucht finden. Die Anzahl der Einwohner von Oran soll über 20,000 betragen. Arzew, ein kleiner, auf Trümmern erbauter Ort, mit einem vortrefflichen Ankerplatz für Kauffahrteischiffe, Mostaganem in einer ungemein fruchtbaren Gegend, wo viele Trauben gebaut werden und einen bedeutenden Handelsartikel bilden, Tenes, ein erbärmliches, schmutziges Städtchen, obwohl ehemals die Hauptstadt eines selbstständigen Königreichs, von unfruchtbaren Höhen umgeben, und Cherchel, das Julia Caesarea der Römer, die dort einen Hauptstützpunkt ihrer Macht hatten, sind die bedeutendsten von Westen nach Osten zwischen Oran und Algier an der Küste gelegenen Ortschaften. Oestlich von Algier liegen die Seestädte Bugia, ein sehr kleiner Ort, Philippeville, eine am Meerbusen von Stora erst neuerdings angelegte, aber rasch emporblühende Stadt, Bona an der Mündung des Seibuse und La Calle auf einer felsigen Halbinsel, wo die Franzosen seit langer Zeit der Korallenfischerei wegen eine Niederlassung hatten.

Hinter diesen am Meer belegenen Punkten liegt im Innern des Landes eine zweite Reihe von mehr oder minder beträchtlichen Ortschaften. Von Osten nach Westen hin folgen sich: Guelma, Constantine, Setif, Belidah, Medeah, Miliana, Mascara, Tlemsen und Nedroma. Letzteres liegt hart an der Grenze von Marocco, drei Meilen südlich vom Vorgebirge Hone. Tlemsen ist 7 Meilen vom Meer, 12 Meilen südwestlich von Oran entfernt, beherrscht einen wichtigen Landstrich und bildet einen natürlichen, fast unvermeidlichen Durchgangspunkt für die Caravanen aus Fez, weshalb man es auch Bab-el-Gharb oder Thor des Westens zu nennen pflegt. Die Stadt hat enge, oft oben von Weinreben überrankte, an einigen Stellen überwölbte und überall durch Springbrunnen gekühlte Straßen mit meistens nur einstöckigen Häusern. Im Süden der Stadt liegt eine Citadelle, die gegen 100 Häuser und eine Moschee umschließt. Mascara liegt 12 Meilen südlich von Mostaganem und 14 Meilen südöstlich von Oran, hat 3 Vorstädte, 3 Hauptstraßen, 1 Moschee etc. und ist berühmt durch die Güte der dort gefertigten Burnus. Belidah, Medeah und Miliana sind drei von Algier aus hintereinander am Wege nach Mascara und Tlemsen belegene Städte. Ersteres hat eine sehr gesunde Lage am Eingang eines tiefen Thaleinschnitts im kleinen Atlas und ist von reich bewässerten Gärten und Orangenwäldern umgeben. Seitdem die bedeutendsten Gebäude im Jahr 1825 durch ein Erdbeben zerstört worden, hat es meistens nur einstöckige Häuser; die Straßen sind regelmäßig und breiter als in Algier. Medeah liegt ungefähr 15 Meilen von Algier und einen Tagemarsch von Belidah jenseits der ersten Gebirgskette des Atlas, über den ein sehr schwieriger Weg dorthin führt. Es ist amphitheatralisch auf einem Bergabhang erbaut, und eine Art Fort oder Kasbah beherrscht die Hauptpunkte. Die Straßen sind breit und regelmäßig, die Häuser gut gebaut und mit Ziegeln bedacht, die Einwohner hoch gewachsen, wohlgebildet und kräftig. Ungefähr 11 Metres über der Meeresfläche belegen, leidet es im Sommer an Hitze, im Winter an Kälte. Hauptproduct sind dort Trauben, welche vortreffliche Rosinen liefern. In Zukunft dürfte es ein Hauptpunkt für den Handelsverkehr zwischen der Sahara und Algier werden. Miliana liegt 16 Meilen südwestlich von Algier, 8 Meilen von Belidah, auf einem Felsen im Atlas, zwischen den Flüssen Schelif und Mazafran, in einem sehr reichen Landstrich. Die Häuser sind sämmtlich zwei Stock hoch, aus Mauerwerk aufgeführt und mit Ziegeln bedacht. Die Stadt hat 25 Moscheen, worunter 8 größere; ihre Straßen sind eng und krumm, aber mit vielen Springbrunnen versehen, denen das Wasser durch unterirdische Röhren zugeführt wird. Orangen-, Citronen- und Granatbäume umschatten die Wohnungen, in denen sich fast immer Höfe mit bedeckten Säulengängen befinden. Eine noch wichtigere Stadt ist Constantine, südöstlich von Algier, auf einem steilen Felsen belegen und bedeutend befestigt. Sie zählte früher 30,000 Einwohner. Setif südwestlich, Guelma nordöstlich davon sind kleinere Ortschaften, deren es überdies noch sehr viele giebt, unter welchen das durch eine fabelhafte Heldenthat bekannt gewordene Mazagran in der Nähe von Mostaganem.

Höchst mannigfaltig waren und sind noch die Eintheilungen des Landes. Ehemals umfaßte es die drei römischen Provinzen Numidia, Mauritania Sitifiensis und Mauritania Caesariensis mit den Hauptorten Cirta, Sitifis und Caesarea, jetzt Constantine, Setif und Cherchel. Die Türken theilten es in die vier Provinzen: Algier, Oran oder Westen, Constantine oder Osten und Titteri oder Süden. Jetzt zerfällt das Ganze in die drei Abtheilungen: Algier, Oran und Constantine. Der Gesammtname Algerien wurde zum ersten Mal amtlich in der Thronrede bei Eröffnung der Kammersitzungen am 18. Dec. 1837 durch den König der Franzosen gebraucht.


Strassenreinigungsmaschine von Whitworth.

Je unzweifelhafter nicht allein die Annehmlichkeit, sondern auch die wohlfahrtspolizeiliche Wichtigkeit gut gereinigter städtischer Straßen ist, und je mehr man sich in wohlgeordneten städtischen Haushalten trotz nicht unbedeutender Kosten befleißigt, diese Bedingung des städtischen Comforts zu erfüllen, um so interessanter ist auch für Jedermann die Kenntniß solcher Vorrichtungen, welche die Straßenreinigung mit bedeutender Ersparung von Handarbeit gleichsam selbstwirkend ausführen. Für Landstraßen kennt man solcher Vorrichtungen bereits mehre, und es haben sich in neuerer Zeit besonders die nach schottischen Mustern durch Devilliers, Frimot und Ducrot in einigen französischen Departements ausgeführten und angewendeten Maschinen den gerechten Beifall des Publicums erworben. Indessen kommt es hier nur darauf an, die erweichte, schlammige Schicht durch eine kratzende Wirkung, die hier ebenfalls von der Bewegung des als Basis dienenden und durch Pferde gezogenen Karrens ausgeht, abzulösen und zur Seite der Straße anzuhäufen. Von einer für städtische Straßen berechneten Maschine verlangt man mit Recht eine eigentlich bürstende, gründlichere und den Vertiefungen sich anschmiegende Wirkung und zugleich die gänzliche Beseitigung des Unraths. Die Maschine soll also die Straße nicht allein kehren, sondern auch zugleich den Unrath aufladen und fortschaffen. Die vor einigen Monaten von Whitworth in Manchester ausgeführte und dort sowohl, als in der Regent Street und den anliegenden Straßen Londons praktisch geprüfte Maschine, von welcher nachstehende Abbildung eine Ansicht giebt, scheint diesen Bedingungen zu entsprechen. Sie besteht aus einem sehr niedrig hängenden Kastenkarren, welcher von einem oder zwei Pferden fortbewegt wird, und an dessen hinterem Theile eine schräg nach der Straße herablaufende hölzerne Rinne von der Breite des Karrens, so wie über dieser Rinne ein bedeckender Mantel angebracht ist, dergestalt, daß beide Theile einen ziemlich geschlossenen, einerseits auf der Straßenfläche, andererseits in dem Karren sich öffnenden Canal bilden. In diesem Canale bewegt sich ein um zwei Walzen – eine obere und eine untere – gespanntes, mit querlaufenden Drahtbürsten besetztes endloses Band. Die obere Walze wird durch einen Riemen, welcher um die Achse der Karrenräder und eine an ihrer verlängerten Achse sitzende Rolle geschlungen ist, in Umdrehung versetzt, sobald sich der Wagen bewegt, und zwar in dem Sinne, daß die Bürsten continuirlich von oben her zu der untern Oeffnung hervortreten, unter einem durch Gewichte beliebig zu bestimmenden Drucke über die Straße wegstreifen und den mitgenommenen Unrath im untern Theile der Rinne in die Höhe schieben, bis er oben in den Karren entleert wird. Im Karren selbst sondert sich das Flüssige vom Festen und Ersteres kann von Zeit zu Zeit durch einen in der gehörigen Höhe über dem Boden angebrachten Hahn in die nächste Cloake entleert werden. Durch einen Hebel kann übrigens, wenn der Karren voll ist und der gesammelte Unrath abgefahren werden soll, der ganze Bürstapparat gehoben und außer Berührung mit der Straße gebracht werden. Das eine Karrenrad trägt innerlich ein Zahnrad, und dieses wirkt auf ein Zeigerwerk dergestalt, daß man die vom Karren zurückgelegte Weglänge, welche, mit der Bürstenbreite multiplicirt, die gereinigte Straßenfläche giebt, controliren kann. Die zweckmäßige Geschwindigkeit ist die von 2 engl. Meilen in der Stunde (80–100 Fuß in der Minute); bei dieser kann man also mittelst 11/2 Ellen breiter Bürsten circa 300 □Fuß Straßenfläche in der Minute vollständig reinigen; so daß in diesem Falle von einem Fuhrmanne und zwei Pferden die Arbeit von mindestens 30 Tagelöhnern geleistet wird.

Whitworth’s Straßenreinigungsmaschine.

Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_06.pdf/6&oldid=- (Version vom 12.5.2023)