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„Wie habe ich diese letzte Bemerkung zu verstehen, Herr Heiking?“ fragte er herausfordernd.

„Wie Sie wollen,“ entgegnete ich kalt, nahm meinen Hut und verließ mit knapper Verbeugung das Zimmer.

In einem billigen Restaurant am Nollendorfplatz aß ich zu Mittag. Als ich meine Rechnung dann bezahlt hatte, blieben mir noch genau zwölf Mark übrig. Dennoch befand ich mich eigentlich in selten guter Stimmung. Nur ein Gedanke bedrückte mich: die Erinnerung an mein Zusammentreffen mit Marga Benrath. An meine eigene verzweifelte Lage dachte ich nicht mehr.

Es war ungefähr drei Uhr nachmittags, als ich in meinem bescheidenen Junggesellenheim, das aus einem Zimmer und Kabinett bestand, anlangte. Das erste, was mir in die Augen fiel, war ein Brief meiner Tante Johanna Grunert, der auf der Platte meines Schreibtisches lag. Tantes Handschrift war unverkennbar. So sorgfältig, so abgezirkelt schrieb nur sie in ihrer schönen, gleichmäßigen Handschrift eine Briefadresse. Ich schnitt den Umschlag auf, zog die blaßrosa Karte mit dem sattgrünen Monogramm J. G. links oben in der Ecke heraus und las:

„Lieber Fred!
Wir sehen heute einige Gäste bei uns. Alles gute Bekannte. Wenn Du uns erfreuen willst, finde Dich gegen acht Uhr ein. Bitte Straßenanzug.
Es grüßt Dich herzlichJohanna.
Deine Tante Johanna.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)