Seite:Irrende Seelen.pdf/63

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und mir rundheraus gesagt, daß er – einen Spieler nicht weiter gebrauchen könne und dich deswegen entlassen wollte. Dieser Entlassung bist du zuvorgekommen. Stimmt’s?“

„Leider!“ Die Art meines Onkels, mit Menschen umzuspringen, entwaffnete mich auch heute wieder.

„Und was nun?“ fragte er nach einer Weile.

Ich umging eine direkte Antwort.

„So ganz … gelogen habe ich doch nicht, Onkel,“ suchte ich mich zu verteidigen. „Ich will wirklich ins Ausland. Hier … hier wird nie etwas aus mir.“

Traurig wiegte er seinen grauen Kopf hin und her.

„Das Spiel, das unselige Jeu!“ meinte er seufzend. „Ich habe wahrhaftig Geduld genug mit dir gehabt. Gelohnt hast du mir meine Bemühungen schlecht. Trotzdem - noch ein letztes Mal will ich für dich einspringen. In unserer Filiale in Windhuk brauchen wir einen Kassierer.“ Er betonte das letzte Wort besonders. „Du siehst, ich setze immer noch in dich das Vertrauen, daß du dich zum Guten durchringen wirst. Zeige dich dessen wert. Am 1. Dezember geht die „Woermann“ von Bremen ab. Mit der reist du. Komm morgen zu uns ins Bureau, damit wir den Anstellungsvertrag abschließen.“

Und diesen Mann mit dem goldenen, gütigen Herzen hatte ich bestohlen …?! – Nie war ich mir jämmerlicher, nie verachtenswerter vorgekommen als in diesem Augenblick, wo ich vergebens nach Worten suchte, um ihm zu danken.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)