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gerade unter einer Laterne stehenden Herrn erblickte, der eifrig einem Taxameter zuwinkte. Doch schon bog mein Auto um die nächste Ecke. Vor uns war die Bahn frei. In sausender Fahrt rasten wir dahin. Ich atmete erleichtert auf. Selbst wenn jener Herr ein Kriminalbeamter gewesen war, ich mußte ihm entschlüpft sein.

Von der Potsdamer Straße fuhr ich mit einer Straßenbahn weit nach Schöneberg hinein. Und hier wagte ich es dann, das Paket auf dem nächsten Postamt aufzugeben.

So weit ich mein Verbrechen überhaupt noch gutmachen konnte, hatte ich es getan. Ich wurde ruhiger, als ich mich des gestohlenen Geldes wieder entledigt hatte. Noch etwas hatte ich zu besorgen, bevor die Zeit des Geschäftsschlusses da war. Mein Geld hatte ich bis auf den geringen Rest von fünf Mark ausgegeben. Ich mußte mir fürs erste irgendwie zu helfen suchen. Und so trug ich meine goldene Uhr, ein Geschenk Onkel Grunerts, zum Pfandleiher.

Ich nickte nur. – – 45 Mark –!! Und vorgestern hatte ich noch Tausende verspielt! – Mir war’s, als ob jene Zeit mit ihrem sinnlosen Tun weit, weit hinter mir lag. Zuviel neue, eindrucksvolle Ereignisse hatten sich zwischen das Einst und das Jetzt gedrängt. Ich wußte, ich war ein anderer geworden in dem Augenblick, wo mir die Erkenntnis aufdämmerte, daß ein armes, gepeinigtes Weib in einer Herzensnot denselben Pfad beschritten hatte, auf den ich aus freventlichen Leichtsinn gedrängt worden war – den des Verbrechens! Wußte, daß meine Liebe zu Marga, meine Angst um ihr Schicksal mit einem Schlage mein Herz von all den

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)