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uns. ‚Vielleicht‘, sagten wir uns zitternd, ,hat es in unser Haus eingeschlagen’, aber es wäre Wahnsinn gewesen, hinaufgehen zu wollen. Bald darauf fragt einer unserer Leidensgefährten: ,Wo ist denn nur Bijou?’ Kein Mensch hatte in der Höllenangst an ihn gedacht. Was liegt auch an einem Hundeleben, wenn unschätzbares Menschenblut ganze Länder rötet? Allmählich wird es ruhiger draußen, das Schießen läßt nach, aber unsere Angst wächst. Was mag geschehen sein? Während wir noch hierüber unsere Ansichten austauschten, rast plötzlich an unserer Kellertür ein Kratzen und Scharren, dann ein ungestümes Bellen. Das konnte nur Bijou sein, der uns mit seiner feinen Nase in dem geheimen Versteck entdeckt hat. Zugleich begreifen wir die Gefahr: Wenn das Schweigen der Geschütze wirklich bedeutet, daß die Festung gefallen und der Feind in der Stadt ist, so sind wir verloren, denn der Hund wird unser Versteck verraten. Nun bellt er immer lauter, ist aus Rand und Band, läuft immer nach der Straße, springt zurück und wirft sich mit aller Wucht vor unseren geheimen Eingang, als wolle und müsse er Leute herbeirufen. Meine Tochter will die Tür öffnen, um ihn hereinzulassen, aber in diesem Augenblick donnern dagegen schon Kolbenschläge, und eine wilde Stimme ruft: ,Heraus hier!‘ Was blieb uns übrig? Wir öffneten und erwarteten nichts anderes, als im nächsten Augenblick von einem Bajonett durchspießt zu werden, doch der feldgraue Soldat schleudert nur einen nach dem anderen von uns auf die Straße mit solcher Wucht, daß wir hinfallen. Jetzt sehen wir etwas Schreckliches: Unser Haus brennt. Bei dem platzenden Schlag, den wir vor zwei Stunden hörten, war eine Granate ins Haus gefallen und hatte gezündet, seit zwei Stunden brannte es lichterloh über unseren Köpfen. Kaum hatten wir dies ausgedacht, da brach die mächtige Steinmasse zusammen, durchschlug die Kellerdecke und würde uns unter brennenden Trümmern begraben haben, wenn nicht der Soldat, von dem Hunde hingeführt, uns herausgenötigt hätte. Die Deutschen waren ganz anders, als wir in

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)