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eiteln, das „germanische Ungeheuer“, ein Volk von siebzig Millionen, durch Abschneiden der Nahrungszufuhr zum Verhungern zu bringen. Der Ackerbau, dessen Ruhm durch seinen jüngeren Bruder, den stählernen Siegfried Industrie, seit einem halben Jahrhundert etwas verdunkelt worden war, mußte in diesem Jahr entscheidend eingreifen in den Kampf des deutschen Volkes um Siegen oder Sterben.

Da die Männer fehlten, hatte man für die Frühjahrsbestellung die Weiber mobil gemacht und in erster Linie die Witwe Hartmann, die alte, treue Lisbeth, die ja stets zur Stelle war, wenn ihr alter Tannenhof ihre Dienste ausnahmsweise wieder verlangte. –

Während der Klang der Abendglocken der alten Frau über den Tannenwald entgegenwehte, so traulich, als wollte er sie in ihr friedliches Stübchen im Schulhaus des Dorfes locken, hatte Frau Hartmann eine dunkle Empfindung, daß auch sie eine Kämpferin sei für des geliebten Deutschen Reiches Recht und Ehre. Ein Flämmchen des Stolzes flackerte bei dem Gedanken auf in ihrer Seele, doch es verschwand fast in dem großen, glänzenden Licht, das dahinter in ihrer Seele aufquoll, in ihrer Hoffnung auf Frieden, den holden, menschenbeglückenden Frieden. Einmal war doch selbst die Sintflut verlaufen, und die Taube Noäh mit dem grünen Ölzweig erschienen, so mußte einmal doch auch der Krieg sein Ende haben, und ihr Franz zu ihr zurückkehren.

Sie wurde von der Landstraße drunten angerufen: „Lisbeth, ein Feldpostbrief für dich ist angekommen, ich habe ihn dem Bauer gegeben." Es war der Postbote, auch ein Veteran, ein Verwandter von ihr, der in Friedenszeiten Schuhe flickte, aber, da es ihm an Leder und der Post an Männern fehlte, in den Dienst des völkerverbindenden Verkehrs getreten war.

Bei seinen Worten reckte die alte Lisbeth ihre Glieder, Sehnsucht durchprickelte ihr Herz, und schneller schritten ihre Füße dem Dorfe zu. Der Brief konnte ja nur von

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/127&oldid=- (Version vom 1.8.2018)