Seite:JüchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/128

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Franz sein. Sicher würde er Gutes melden. Das letztemal hatte er geschrieben, daß er jetzt aus der vorderen Gefechtslinie heraus und außer Gefahr sei. Oh, wie hatte diese Mitteilung Frieden in ihr Herz getragen! Wenn er in der Front allen tückischen Kugeln entgangen war, dann brauchte sie jetzt sicher nichts mehr zu befürchten. Feierabendstill lag der Hof, nur die Gänse schnatterten ihr entgegen, und Katharina, die Magd, die auf der Schwelle des Nebeneingangs hockte und ein Huhn rupfte, frug sie etwas, aber Lisbeth eilte an ihr vorüber nach dem Haupteingang und hier schnurstracks in die Stube des Bauern. Dieser überreichte ihr den Feldpostbrief, aber sie bat: „Lesen Sie ihn mir vor! Sie wissen, meine alten Augen...“ Der Bauer öffnete den Brief und las:

„Liebstes Mütterchen! Wir hatten just vor unserer Ablösung noch ein heißes Ringen in der Champagne zu bestehen und trugen einen glänzenden Sieg davon. Die Rothosen wehrten sich wie verzweifelt, aber mit blutigen Köpfen haben wir sie zurückgeworfen. Leider ist mir dabei ein kleines Unglück zugestoßen, ich habe einen Schuß in die linke Brust erhalten, so kommt es, daß ich Dir aus dem Lazarett schreibe. Wir liegen hier zu etwa 250 Verwundeten in einer Schule und werden aufs beste verpflegt. Gott verläßt keinen Deutschen, also mache Dir keine Sorge! Mir geht es jetzt ganz gut. – Mit herzlichem Gruß und Kuß

Dein getreuer Sohn Franz.“     

„Hm, hm“, machte der Bauer, „mir ist, als wäre das gar nicht seine Handschrift.“ Frau Hartmann starrte ahnungsbang den Bauer an, dann den Brief, griff erregt in die Tasche ihres Kleides und nestelte mühsam die Brille heraus, es kostete viel Anstrengung, bis sie sie auf der Nase hatte, und bleich wie Wachs war sie darüber geworden. Dann starrte sie nochmal den Brief an; die Buchstaben schwammen wie schwarze Flecken vor ihren kranken Augen, aber dennoch erkannte sie und beklommen gurgelte

Empfohlene Zitierweise:
Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/128&oldid=- (Version vom 1.8.2018)