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Aus ihrem Kriegstagebuch


Frau Musikdirektor Krüger hatte ihre Wohnung aus dumpfem Sommerferienschlaf zu neuem gemütlichem Leben erweckt. „Hätte ich gewußt“, sagte sie stöhnend zu ihrem Dienstmädchen, „daß wir nach vierzehn Tagen wiederkehren würden, hätten wir die Reise lieber gar nicht gemacht.“ Gestern nachmittag um diese Zeit saß sie noch mit ihrem Gatten und ihrem siebzehnjährigen Sohn Siegfried zwischen Palmen und glühenden Geranien auf der Terrasse des Café du Nord in Genf, die Rhone rauschte zu ihren Füßen, Musik und Plaudern um sie her. Die Augen schweiften hier über die blaue Fläche des Sees, dort empor zu dem im Sonnenschein leuchtenden Schneescheitel des Montblanc, und heute, ach, schon wieder im alten Gleise! Ihr Gatte trat ein. „Na, Thea, wie fühlst du dich wieder zu Hause?“ „Wie Eva, als sie aus dem Paradiese vertrieben war“, antwortete sie, indem ein Lächeln ihr rosiges Gesicht unter dem ährenblonden Haar umspielte, „und dabei ist mir nicht einmal eine Sünde bewußt.“ „Krieg ist Krieg“, warf er hin. „Ich hätte so etwas nie erwartet“, fuhr sie fort, „bei der Friedensliebe unseres Kaisers.“ „Man kann zum Krieg gezwungen werden. Einmal mußte es losgehen“, erwiderte er. Sie lächelte: „Dann lieber heute als später, wenn Siegfried mit ins Feld muß. O Gott!“ Er spottete: „Das klingt, wie das Gebet beim Gewitter: Heiliger Sankt Florian, verschon’ mein Haus, zünd’ andre an!“ „Spotte nicht, Gustav!“ fuhr sie empor. „Willst du unseren letzten Sohn zum Kanonenfutter hergeben? Ich nicht!“ „Liebe Thea“, entgegnete er ruhig, „dann ist es allerdings besser, daß der Weltbrand schleunigst ausbricht. Übrigens

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)